Social Media Detox:
(M)ein Jahr (fast) ohne soziale Medien
Hast du Social Media Detox schon mal ausprobiert?
Was genau ist Social Media Detox eigentlich?
Digital Detox bedeutet aus dem Englischen übersetzt so etwas wie „digitale Entgiftung“ oder „digitales Fasten“. Allgemein definiert geht es um einen Zeitraum, in dem wir bewusst auf die Nutzung von Computern, Smartphones oder Tablets verzichten. Dementsprechend ist Social Media Detox eine Art Entgiftung durch den Verzicht auf das Benutzen der sozialen Medien.
Meine Digital Detox Erfahrungen
Ich persönlich habe schon immer eine abgespeckte Variante von Digital Detox gelebt. Häufig bin ich beispielsweise ohne Smartphone unterwegs und auch wenn ich es dabei habe, schaue ich nicht ständig darauf. Auch habe ich mich noch nie verpflichtet gefühlt, permanent verfügbar zu sein und unverzüglich auf jede Nachricht antworten zu müssen.
Doch meine Einstellung zu und mein Umgang mit den sozialen Medien hat sich im Laufe der Jahre geändert. Auch nach über einem Jahr Social Media Detox habe ich es noch immer satt. Und ich kann mir gut vorstellen, dass das tatsächlich auch langfristig so bleiben wird.
Denn vor einigen Wochen habe ich begonnen, die neueren Artikel des MindMagazins wieder auf Facebook zu posten. Streng genommen habe ich also mein Social Media Detox für ein paar Tage unterbrochen. Doch das waren keine speziellen Inhalte für Facebook, sondern lediglich Links zu den Artikeln. Und einige Tage später habe ich sie alle wieder gelöscht. Denn ich habe wahrgenommen, dass es etwas mit mir gemacht hat.
Glückshormone und Abhängigkeit
Ich konnte den Dopamin-Rausch wahrnehmen, der stattfindet, wenn wir zum ersten Mal – oder nach längerer Pause – auf soziale Medien zugreifen. It was exciting! Wird es Reaktionen geben und wenn ja, welche? Und wie viele?
Dopamin und Social Media Detox
Dopamin ist das Glückshormon, das in unserem Gehirn freigesetzt wird, wenn wir etwas Neues oder Überraschendes erleben, und es erzeugt ein Gefühl von Aufregung und Vorfreude. Deshalb wollen wir mehr davon. Doch weil es beim zweiten, dritten und vierzigsten Zugriff nicht mehr neu ist, müssen wir uns immer länger und häufiger in den sozialen Medien aufhalten, um einen Dopamin-Rausch erleben zu können.
Und das ist die Definition von Abhängigkeit, von Sucht. Wir werden abhängig von etwas im Außen. Und wir brauchen immer mehr für immer weniger Befriedigung. Wir scrollen stundenlang sinnlos herum, haben Angst, etwas Entscheidendes zu verpassen und verpassen dadurch das Entscheidende: Das echte ErLeben im Hier und Jetzt. Unabhängig von irgendwelchen Geräten bzw. von dem, was andere Menschen posten oder wie sie auf unseren Post reagieren.
Dabei werden wir immer unzufriedener und unsicherer und nähren unseren Ur-Glaubenssatz nicht gut genug zu sein, denn das Leben der anderen scheint so viel besser, schöner und perfekter. Und reagieren andere nicht wie erhofft auf unsere Posts, nähren wir auch damit unser negatives Selbstbild.
Social Media Detox macht (mich innerlich) frei.
Ich versuche, nur noch Content mit echtem Nährwert für mich zu konsumieren. Denn unabhängig zu sein und bewusst zu lesen, zu hören oder anzuschauen, was mich wirklich interessiert, empfinde ich als den wahren Luxus.
Apropos Luxus: Zwar habe ich die sozialen Medien privat schon immer wenig genutzt. Doch mittlerweile empfinde ich es als so befreiend, weder meine Mahlzeiten noch meine Urlaube oder irgendwelche anderen Ereignisse mit der Welt teilen zu können. Es ist so wertvoll, diese Momente für mich zu erleben, ohne darüber nachzudenken, ob ich gewisse Ereignisse auch noch für die sozialen Medien ins rechte Licht rücken sollte. Ich will das gar nicht. Ja, ich mache Fotos mit meinem Smartphone, aber nur für mich.
Und meine Instagram und Facebook-Accounts sind zwar noch da, doch ich habe die entsprechenden Apps nicht mehr auf meinem Smartphone. Und jedes Mal, wenn mich jemand fragt: “Hast du gesehen, dass XY etwas über YX auf Insta gepostet hat?” antworte ich voller Erleichterung: “Nein, denn ich nutze Insta nicht mehr”. Ich finde JOMO (joy of missing out) herrlich befreiend! Ehrlich gesagt bin ich selbst immer wieder erstaunt, wie gut sich meine Interpretation von Social Media Detox anfühlt.
Denn was ich allerdings häufig nutze, ist YouTube. Doch YouTube ist streng genommen kein soziales Medium, sondern eine Suchmaschine.
Social Media Detox wird hip(per) werden.
Generell orakele mal, dass die große Zeit der sozialen Medien vorbei ist. Es ist zu viel, es ist zu laut, es ist zu schnell, es ist zu ungesund. Und: Es ist nicht mehr neu oder besonders.
Die Frage, die wir uns immer wieder stellen sollten, lautet:
Haben wir unseren Konsum im Griff oder hat unser Konsum uns im Griff ?
Und diese Frage hilft nicht nur in Bezug auf Social Media Detox, sie gilt für alles, was abhängig machen kann.
Der Blogger und Autor Cory Doctorow hat den Begriff “enshittification” eingeführt. Damit beschreibt er den Lebenszyklus von sozialen Medien:
“Als Erstes wird die Plattform als nützliches Tool für Menschen entwickelt. Deshalb wächst sie rasant und fokussiert sich weg vom Menschen, hin zum Werbenden, zum Produkt, zum Kunden. Irgendwann wird alles so extrem, dass sich selbst die Werbenden abwenden und die Plattform stirbt.”
Wahrscheinlich “sterben” Facebook & Co. nicht ganz, aber möglicherweise werden sie irgendwann denselben Ruf haben, wie Fastfood-Restaurants: viel Masse, wenig Klasse.
Oder anders gesagt: Kann man mal machen, macht aber viel mit uns, wenn wir es zu oft machen.
Social Media Detox: Wer sollte wovon entgiften?
Ein bekanntes Zitat von Paracelsus lautet: “Die Dosis macht das Gift.” Und auch wenn sich diese Aussage auf die Wirkung von Pflanzen bezieht, kann man sie durchaus auf unseren Social-Media-Konsum übertragen. Denn das Konsumieren von wenig gutem Content kann inspirierend und motivierend sein.
Dadurch kann dieser Konsum, wie die richtige Dosis der passenden Medizin, positive Wirkung haben. Deshalb möchte ich die sozialen Medien nicht generell verteufeln, nur weil ich persönlich sie aktuell ziemlich satthabe. Doch letztlich ist es wie mit allen anderen Medien auch: Wir selbst entscheiden, was wir wann wie viel konsumieren. Doch eben nur so lange, bis wir abhängig von etwas werden.
Ich persönlich halte es mit Social Media Detox so, wie ich es auch mit vielen anderen Dingen handhabe: Ich darf alles machen und haben. Und gerade weil ich das darf, will ich es meistens gar nicht, weil es mir nicht guttut. Ich verbiete mir also nichts, sondern ich erlaube mir, mich zu entscheiden. Wenn ich morgen Lust habe, die Apps wieder auf mein Smartphone zu installieren, dann werde ich das tun. Es sind nur Apps. Die Frage ist doch, wie viel Macht gebe ich ihnen?
Suchtmittel sind austauschbar.
Das ist ein bisschen so wie der Umgang mit Schokolade. Eine Tafel Schokolade ist weder gut noch schlecht und sie kann (mir) auch alleine nichts tun. Doch welche Macht gebe ich ihr, wenn ich sie für schlecht und ungesund halte und wenn ich sie mir komplett und für immer verbieten will und das dann wiederholt nicht schaffe? Dadurch mache ich ein harmloses Ding zu einer allmächtigen Sache, von der meine Stimmung und mein (Selbst)Wert bestimmt werden kann.
Deshalb empfinde ich MindDetox noch immer als das Entscheidende und letztlich auch wichtiger als beispielsweise Social Media Detox. Denn auch wenn Social Media Detox an sich eine gute Sache ist, kann aus einer positiven Intention eine negative Erfahrung werden, wenn wir glauben, “perfekt entgiften” zu müssen.
Brauchst du Social Media Detox?
Wenn du nicht sicher bist, welchen Einfluss die sozialen Medien auf dich haben und ob es vielleicht abhängige Tendenzen gibt, dann lösche doch auch mal deine Apps (nicht deinen Account). Und dann beobachte mal, was das mit dir macht. Wie oft greifst du normalerweise zum Telefon und willst mal eben schauen… Und wie lange bleibst du dann dort hängen und was macht es mit dir?
Kannst du manchmal wahrnehmen, dass du dir mithilfe von Social Media dein negatives Selbstbild und deinen Ur-Glaubenssatz bestätigst? Und was passiert, wenn du das nicht mehr kannst, weil die Apps weg sind? Gibt es Entzugserscheinungen?
Mind the way you look at things.
MindMuse Simone
P.S.: Auf YouTube findest du ein Video von Arte.de mit dem Titel “Die Dopamin-Falle“
(M)ein Jahr (fast) ohne soziale Medien