(Un)Ruhe

Zu sagen, dass wir gerade in unruhigen Zeiten leben, ist schon fast untertrieben. Oliver Welke sagte in der Heute-Show genau das, was ich an diesem speziellen Mittwochabend dachte: “Wir sind mit Trump aufgewacht und ohne Ampel ins Bett gegangen.”

Ziemlich ver-rückt, das Ganze.

Und das alles passierte in der Woche, in der unser Mauerfall seinen 35. Jahrestag feiert. Offensichtlich habe ich mich in den letzten Tagen viel mit Politik und Geschichte beschäftigt. Beispielsweise habe ich erkannt, dass mir damals überhaupt nicht bewusst war, was für ein unfassbar historisches Ereignis diese Wiedervereinigung gewesen ist.

Zwar habe ich den Jahreswechsel 1990-1991 in Berlin unter dem Brandenburger Tor gefeiert – und alles war so anders als drei Jahre zuvor, als wir im Rahmen einer Klassenfahrt auch Ost-Berlin besuchten – doch die wirkliche Tragweite konnte ich nicht (be)greifen.

Wahrscheinlich, weil ich einerseits sehr jung war und andere Dinge wichtiger schienen. Und weil ich mich andererseits in der Anfangsphase meiner Essstörung befand und diese Ego-zentrierte Beschäftigung mit meinem Aussehen meine restliche Aufmerksamkeit aufgefressen hat.

Die mentale Befreiung, die das Ende meiner Essstörung mit sich gebracht hat, empfinde ich bis heute als unglaublich groß und gewinnbringend. Deshalb kann ich die Befürchtung, dass Selbstfürsorge – also das Einhalten der eigenen Bedürfnisse und Grenzen – egoistisch sein könne, zwar gedanklich nachvollziehen, aber im echten ErLeben absolut widerlegen.

Auf unsere Grenzen und Bedürfnisse zu achten ist leichter, als viele MindMates glauben. Und zwar dann, wenn wir nicht mehr in unzähligen inneren Dialogen diskutieren, ob es okay ist, unserer Selbstfürsorge oberste Priorität einzuräumen. Denn diese mentalen Debatten, das ständige Hü und Hott, sind es, die die meiste Zeit und Energie fressen.

Im Grunde ist es erschreckend einfach. Denn wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder wir akzeptieren, dass Selbstfürsorge der Schlüssel ist, oder wir zweifeln es immer wieder an, versuchen uns anders durchzumogeln und zahlen am Ende des Tages den Preis dafür.

Wie anfangen?

Wir alle haben gelernt, Bedürfnisse so weit zurückzudrängen und zu ignorieren, dass wir schwer Zugang zu ihnen finden. Und der erste Schritt ist nicht blinder Aktionismus, sondern NICHTS tun. Oder um es englisch auszudrücken: NOTHING = NO  THINK. Erlaube deinem (Nerven)System, zur Ruhe kommen zu können.

Was passiert, wenn du nichts tust? Wenn du einfach nur da sitzt und Löcher in die Luft starrst oder die Augen und Ohren schließt und meditierst? Kannst du das Stillsitzen überhaupt aushalten? Und was geht dann in deinem Kopf vor? Die Antwort auf die letzte Frage lautet: derselbe alte Gedankensalat wie immer. Doch nur wenn du nichts tust, kann dir genau das bewusst werden.

Die meisten Gedanken, die wir haben, sind nicht wirklich neu. Denn wir denken in altbekannten Pfaden. Und weil uns der Gedankengang so vertraut ist, scheint er vermeintlich sicher und deshalb gehen wir ihn erneut. Nur um irgendwann festzustellen, dass wir mal wieder im Kreis gelaufen sind und die Spurrillen vertieft haben.

Nichts tun kann dazu führen, dass wir bewusst diese Spurrillen verlassen und anders denken können. Und zwar Schritt für Schritt. Es geht nicht darum, dass wir wissen, wohin unsere Gedankengänge uns führen. Niemand weiß, wohin unbekannte Wege gehen. Doch wir wissen dann zumindest, dass wir nicht wieder im vertrauten Gedankenkreislauf enden werden.

Und falls du gerade Unruhe, Unsicherheit und/oder Unzufriedenheit verspürst und egal ob der Auslöser in deinem Kopf oder in deinem ErLeben ist, tue erst mal nichts: NO THINK. Schon drei tiefe und bewusste Atemzüge sind ein guter Anfang.

Denn dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du danach gesündere Entscheidungen treffen kannst.

MindMuse Simone