Setz „die Unmögliche“ auf Diät!

Vielleicht weißt du, dass ich eine große Befürworterin des Perspektivwechsels bin. Das zeigt sich beispielsweise in meinem MindDetoxMirror. Situationen anders betrachten zu können, erlebe ich immer wieder als einen Weg zur LosLösung.

Und da Kopf und Körper sich gegenseitig beeinflussen, praktiziere ich mit meinem Körper, was ich in meinem Kopf etablieren möchte. In Bezug auf den Perspektivwechsel bedeutet das konkret, dass ich häufig einen Kopfstand mache.

Mehr im Körper bedeutet weniger im Kopf

Denn in dieser Position sieht alles sehr anders aus. Und so ein Kopfstand hat den Vorteil, dass ich mich darauf konzentrieren muss, wirklich im Hier und Jetzt zu sein, um das Gleichgewicht halten zu können. Mache ich einen Kopfstand, bin ich absolut präsent in meinem Körper und dadurch sehr wenig in meinem Kopf. Doch so ein Kopfstand dauert höchstens eine Minute.

Und deshalb habe ich kürzlich eine weitere Idee für einen längeren Perspektivwechsel verfolgt. Da ich seit Jahren täglich alleine spazieren gehe, habe ich mittlerweile einige feste Routen. Und welchen Weg ich gehe, entscheide ich täglich relativ spontan. Generell ist meine Route abhängig von der Tages- und Jahreszeit und von meiner Lust und Laune. So gehe ich beispielsweise im Frühjahr und Herbst meistens tagsüber ins Feld, im Winter abends durch den Ort und im Sommer morgens in den Wald.

Mit Routen und Routinen brechen

Obwohl es nasskalt und schon später Nachmittag war, zog es mich vor einigen Tagen in den Wald. Und das Praktische am Wald ist, dass er quasi direkt vor meiner Haustür beginnt. Genau dort lasse ich ihn auch wieder enden. Ich gehe also im Kreis. Und an diesem Tag kam mir der Gedanke, meinen Weg andersherum als sonst zu gehen.

Gedacht, getan.

Und während ich so meines Weges ging, war ich mehrmals erstaunt darüber, wie fremd alles aussah. Ich meine, wir reden von einem Weg, den ich schon sehr oft gegangen bin. Doch wenn plötzlich auf der linken Seite ist, was sich für gewöhnlich rechts befindet, eröffnet uns das völlig andere Perspektiven. Für mich waren sie tatsächlich so fremd, dass ich falsch abgebogen bin und eine zusätzliche Schleife laufen musste.

Gestern habe ich beschlossen, meinen Waldweg nochmal andersherum zu gehen und darauf zu achten, wo genau ich falsch abgebogen bin. Auch dabei musste ich mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren und aufmerksam sein.

Warum ist der bewusste Perspektivwechsel wichtig?

Wir alle sind permanent irgendwelchen Situationen ausgesetzt, auf die es zu reagieren gilt. Und unsere Reaktionen auf diese Situationen entstehen automatisch durch das Bild, das wir von uns selbst und von der Welt, bzw. dem Leben haben. Diese Bilder, sowie die damit einhergehenden Denk- und Verhaltensmuster,  basieren auf unserer Vergangenheit. Und zu diesen Bildern und Mustern gibt es auch innere Stimmen. Wir alle haben sie, doch die wenigsten von uns sind sich dieser Stimmen bewusst.

Vielleicht hast du schon mal etwas von der „inneren Kritikerin“ gehört. Ich habe sie in meinem HörErlebnis „die perfektionistische Sklaventreiberin“ genannt. Mittlerweile bezeichne ich sie als „die Unmögliche“. Gab es in deinem Leben Situationen, in denen dich jemand mit einem strafend abwertenden Blick hat wissen lassen, dass du unmöglich (falsch, nicht gut genug) bist? Diese Erlebnisse haben die Stimme „der Unmöglichen“ in dir laut werden lassen.

Die innere Gegenstimme in uns nenne ich „die Wohlwollende“. Und – ganz simpel gesagt – je positiver wir uns selbst in unserer Vergangenheit erlebt haben, desto lauter ist die Stimme der Wohlwollenden in uns. Doch bei den meisten MindMates ist sie sehr leise oder kaum vorhanden. In ihren Köpfen herrscht „die Unmögliche“ nahezu uneingeschränkt.

Und das Fiese an der Unmöglichen ist, dass sie zwei extreme Forderungen gleichzeitig an uns stellen kann, deren Umsetzung jedoch unmöglich für uns ist. Denn die Unmögliche verlangt von uns, dass wir die Vergangenheit ändern, die Zukunft erahnen und/oder GefühlsZustände und Handlungen auf Knopfdruck abrufen können.

Die Unmögliche in Aktion

Nehmen wir beispielsweise einmal an, du befindest dich in einer Beziehung, in der die Aufteilung der Hausarbeit nicht ausgeglichen ist. Mit anderen Worten: Du hast einen Job und erledigst den größten Teil der Hausarbeit. Und weil dich das stresst und du es als ungerecht empfindest, willst du es ändern. Also teilst du deinem Partner mit, dass er ab sofort für das tägliche Ausräumen der Spülmaschine zuständig ist. Und dann gehst du davon aus, dass du die größte Hürde genommen hast.

Doch was passiert in dir, wenn er tatsächlich die Spülmaschine ausräumt?

Schau doch mal, wie umständlich er das macht, wie unsicher er ist und wie lange das dauert. Und bestimmt musst du morgen stundenlang nach dem Soßenlöffel suchen! Es wäre viel besser, wenn du das wieder selbst machen würdest! Außerdem bist du doch die Frau hier, deshalb ist das deine Aufgabe! Der Arme, sei nicht so egoistisch, was glaubst du eigentlich, wer du bist?!? Und wie wird seine Mutter reagieren, wenn sie davon erfährt?

zetert die Unmögliche in dir. Dicht gefolgt von

Nun macht er schon, was du willst und du bist immer noch nicht dankbar und zufrieden. Und entspannt kann man deinen Zustand wirklich nicht nennen. Jetzt nutze gefälligst auch die Zeit und tu was für dich! Warum fühlst du dich nicht deutlich besser? Was soll denn das Ganze bringen, wenn du es nicht sofort und bis in alle Ewigkeit genießen kannst? Na ja, es war ja irgendwie zu erwarten, dass du das wieder mal nicht hinbekommst…

Kurz und gut:

Die Unmögliche

Die Unmögliche und dein Essverhalten

Oder nehmen wir einmal an, du bist eine Essgestörte auf ihrem SelbstErlebnisWeg. Und in Bezug auf deine Mahlzeiten agiert die Unmögliche so:

Hör gefälligst genau auf deinen Körper, iss, was er dir sagt. Du musst auf dein natürliches Hunger- und Sättigungsgefühl achten und angstfrei und entspannt essen. Los jetzt, genieß es gefälligst!

Unmittelbar gefolgt von:

Aber komm bloß nicht auf die Idee, mehr als XY kg zu wiegen. Denn dann wirst du fett und häßlich sein. Und das geht gar nicht! 

Bildlich gesprochen nehme ich gerne ein Reiskorn als Beispiel: Welches Reiskorn ist das eine zu viel oder zu wenig? Gib es tatsächlich dieses eine Reiskorn, das für beide Extreme der Unmöglichen akzeptabel ist? Denn das zeigt den ungesunden Perfektionismus der Unmöglichen in uns auf.

Durch dieses Dilemma wird deutlich, dass wir es der Unmöglichen niemals recht machen können. Und das gilt es zu verstehen.

Doch genau das ist es, was viele MindMates unbewusst immer wieder versuchen. Sie hoffen darauf, dass die Unmögliche dann still sein wird, wenn sie selbst endlich in jeglicher Hinsicht perfekt sind.

Erkenne die Unmögliche, ernähre die Wohlwollende

Doch der SelbstErlebnisWeg hat wenig mit Selbstoptimierung und viel mit SelbstErkenntnis, -Verständnis und -Annahme zu tun.  Und das Wahrnehmen der Unmöglichen in uns ist ein wichtiger Bestandteil unseres Weges. Und wie bereits erwähnt geht es nicht darum, es ihr recht zu machen, damit sie ruhig ist. Sondern es geht darum, ein Gegengewicht, eine wohlwollendere Stimme in uns, zu etablieren. Und das müssen wir ganz bewusst tun. Denn dieser Anteil von uns ist schwach und unterernährt.

Die Wohlwollende in uns kann die Perspektive wechseln. Sie erkennt die beiden Extreme der Unmöglichen. Sie ist gelassener, großzügiger, humorvoller und handlungsorientierter. Die Wohlwollende kann uns helfen, unseren persönlichen Grauton zu finden. Denn die Unmögliche will schwarz und gleichzeitig weiß. Und dadurch macht sie ihrem Namen alle Ehre. Sie will das Eine und gleichzeitig das Andere. So hält sie uns in einem inneren Kampf gefangen, dessen Schlachtfeld unser Körper ist.

Die Unmögliche auf Diät

Wir können die Unmögliche mithilfe der Wohlwollenden auf Diät setzen. Wenn ich während eines Telefon-Mentorings den beiden Extremen der Unmöglichen eine Stimme gebe, müssen die MindMates oft lachen. Denn durch mein „Schauspiel“ bekommen sie den nötigen Abstand und können erkennen, wie absurd unmöglich es ist, die Unmögliche zufriedenzustellen. Die Unmögliche zu ignorieren oder zu bekämpfen funktioniert allerdings genauso schlecht.

Wir können sie nur schwächen, indem wir ihre Unmöglichkeit beleuchten. Wenn du beispielsweise aufschreibst, was sie von dir will, kannst du das Unmögliche meist ganz gut erkennen. Und in einem weiteren Schritt kannst du dann der Wohlwollenden eine (schriftliche) Stimme geben.

Nahrung für die Wohlwollende

Im Fall des Beispiels mit der Hausarbeit könnte das beispielsweise so aussehen:

Okay, er braucht länger, ist unsicher und umständlicher als du. Aber hey, das ist doch auch irgendwie logisch. Er hat es ja auch noch nicht oft gemacht. Mit der Zeit kommt die Routine und dadurch auch das Tempo. Ist es nicht interessant, wie schwer dir das Zuschauen fällt und wie sehr du bewertest? Der Soßenlöffel, der vielleicht am falschen Platz liegen wird, ist nicht wirklich ein Problem, oder? Geht es nicht viel eher um die Erkenntnis, wie stark das traditionelle Rollenbild noch in dir verankert ist? Und dass du befürchtest, dass seine Mutter schlecht über dich urteilt, wenn sie davon erfährt? Und vielleicht tut sie das. Doch das ist ihr Thema. Denn eigentlich geht es darum, dass du selbst dich verurteilst. Du hast den Anspruch an dich, ALLES zu machen und du glaubst, das sollte dir auch noch leicht fallen. In dir steckt noch immer der unrealistische Wunsch, „Mrs. Perfect“ zu werden und dafür von ALLEN geliebt und bewundert zu werden. Doch du hast Bedürfnisse und du hast Grenzen. Und die sind ganz individuell. Und wäre es nicht hilfreicher, nach diesen Bedürfnissen und Grenzen zu leben, anstatt sie permanent zu hinterfragen und zu verdrängen? Denn das machst du doch jetzt schon so lange und es geht dir nicht gut damit. Denn dieses Verdrängen und Unterdrücken erzeugt eine Menge Druck in dir…

Die Wohlwollende erklärt die Unmögliche und erklärt es der Unmöglichen

Die Wohlwollende redet so, wie eine wirklich gute Freundin und/oder Therapeutin es tun würde. Sie verurteilt nicht, sie versteht und sie erklärt. Und sie setzt dich nicht unter Druck mit Ansagen wie „Du musst“,  sondern sie stellt häufig Fragen, die durchaus erstmal offen bleiben dürfen. Die Wohlwollende konfrontiert dich mit der Realität und findet machbare Möglichkeiten. Sie weiß, dass es unmöglich ist, ALLES zu können und es ALLEN – inklusive dir selbst IMMER recht zu machen. Die Wohlwollende erzeugt Entspannung in deinem (Nerven)System und lässt dich erleichtert ausatmen. Sie verschafft dir Raum, sie gibt dir Zeit.

Wenn die Unmögliche in dir herrscht, befindest du dich in einer Abwärtsspirale aus Selbstzweifeln und Selbstverurteilung bis hin zum Selbsthass. Und je mehr du dann versuchst, das Unmögliche möglich zu machen, desto weiter zieht es dich nach unten.

Und je mehr du die Wohlwollende in dir nährst, desto schneller kannst du mit ihrer Hilfe diese Abwärtsspirale stoppen. Die Wohlwollende ist für den entscheidenden Perspektivwechsel zuständig. Denn manchmal geht es darum, Situationen zu ändern. Doch häufiger geht es darum, unsere Sicht auf eine Situation ändern zu können.

Mind your perspective.

MindMuse Simone