Reue: Welche Entscheidungen bereust du?

Gibt es Reue in deinem ErLeben?

Wie oft stellst du dir die Frage: Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich damals (nicht) … gemacht hätte? Oder bist du vielleicht sogar davon überzeugt, dass es dir heute viel besser gehen würde, wenn du damals … (nicht) gemacht hättest?

Um das Thema Reue geht es in dem Roman „Die Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig, den ich kürzlich gelesen habe. Im Leben der Protagonistin Nora gibt es viel Reue. Sie ist überzeugt davon, an diversen Kreuzungen ihres Lebens falsch abgebogen zu sein. Als dann auch noch ihre Katze stirbt und Nora sich deshalb schuldig fühlt, beschließt sie, ihr Leben zu beenden.

Doch nachdem sie eine Überdosis Tabletten geschluckt hat, findet sich Nora in einer Zwischenwelt, der Mitternachtsbibliothek, wieder. Dort bekommt sie die Möglichkeit, in ihr „Buch der Reue“ zu schauen. Und sie kann sich aus der Vielzahl der anderen Bücher, die jeweils für ein mögliches Leben stehen, für eins entscheiden.

Anderes Leben, weniger Reue?

Nora schlüpft in diverse Leben und erfährt, was wirklich passiert wäre, wenn sie andere Entscheidungen getroffen hätte. Doch auch in all diesen möglichen Varianten kommt sie stets an einen Punkt, an dem sie erkennt, dass auch dieses Leben Schattenseiten hat. Und so kehrt sie immer wieder in die Mitternachtsbibliothek zurück und probiert weitere Leben aus.

Dadurch wird ihr Verständnis für sie selbst immer größer und ihre Reue entsprechend kleiner.

Viel mehr will ich vom Inhalt des Buchs nicht verraten, denn vielleicht beschließt du ja, es selbst zu lesen. Doch ich möchte noch ein paar Gedanken zum Thema Reue teilen. Denn je mehr wir bereuen, desto schwerer ist die Last, die wir tragen. Und das Tückische an der Reue ist ja, dass wir früheres Handeln nicht mehr rückgängig machen können. Deshalb ist es wenig hilfreich, uns vergangene Entscheidungen wieder und wieder selbst aufs innere Brot zu schmieren und uns schlecht damit zu fühlen.

Weniger Reue durch mehr Selbstsicherheit: Der SelbstErlebnisKurs

Seit ich begriffen habe, dass ich zu jedem Zeitpunkt meines Lebens die für mich bestmögliche Entscheidung getroffen habe, gibt es keine Reue mehr. Und „bestmöglich“ heißt nicht unbedingt, dass das die beste Möglichkeit (für mich) gewesen ist.

Auch in meinem Kopf gibt es bis heute manchmal die Frage: „Warum habe ich damals (nicht) … ?“ Oder „Wie wäre mein Leben wohl heute, wenn ich damals (nicht) …?“ Doch das Gefühl der Reue und des Bedauerns dazu existiert nicht mehr.

Denn es ist weder fair noch realistisch, mit dem Wissen und der Erfahrung von heute frühere Entscheidungen als schlecht oder falsch zu bewerten. Und abgesehen davon kann ich auch heute nicht wirklich wissen, was möglicherweise noch passiert wäre, wenn damals (nicht) … .

Falsch entschieden?

Als ich mich mit Mitte zwanzig sowohl in der letzten Phase meines Studiums als auch meiner Essstörung befand, fragte ich mich beispielsweise: „Warum hast du denn nicht Psychologie studiert?“ Und die ehrliche Antwort lautete: Weil ich damals das getan habe, was ich damals für das Richtige hielt. Und das stimmt. Reue wäre an dieser Stelle unrealistisch und unfair.

Übrigens stelle ich mir diese Frage immer mal wieder, aber einfach nur so, als eine Art Spiel: „Was würde ich heute studieren?“ Und die Antworten variieren von „Ich würde gar nicht studieren bis hin zu Soziologie, Kunst oder Forstwirtschaft.“ Lustig, oder?

Wichtig ist doch gar nicht mehr, was wir irgendwann einmal entschieden haben, oder nicht, sondern ob wir mögen, wo wir – wegen oder trotz – unserer Entscheidungen letztendlich gelandet sind. Und wenn wir unseren aktuellen Standort nicht mögen, macht nicht Reue es  besser, sondern andere Entscheidungen.

Kleine Gesten mit großer Wirkung

Was im Buch besonders schön herausgearbeitet wird ist, dass die vielen kleinen Entscheidungen häufig einen viel größeren Einfluss auf unser – und möglicherweise auch auf das  – Leben anderer haben, als die wenigen großen.

So brachte Nora in ihrem ursprünglichen Leben beispielsweise ihrem älteren Nachbarn seine Medizin aus der Apotheke mit. Und weil sie das in einem anderen Leben nicht tat, landete der Nachbar im Altersheim. Dadurch verstand Nora, dass auch ein Leben, das zunächst perfekt scheint, auf eine ganz andere Art Grund zur Reue liefern kann.

Das Buch ist eine wohltuende Erinnerung daran, dass wir nicht wissen können, was tatsächlich passiert wäre, wenn wir damals … (nicht) gemacht hätten. Und deshalb kann es unserer Reue eine Portion Nahrung entziehen und unser Selbstverständnis nähren.

Scheinbar müssen wir immer wieder an das Offensichtliche erinnert werden: Wir können die Vergangenheit genauso wenig ändern, wie wir die Zukunft vorhersehen können.

Zukünftige Reue?

Hätte man beispielsweise mein zwanzigjähriges Ich wissen lassen, dass ich nach dem Studium in meinen Heimatort zurückkehren und zufrieden dort leben werde, hätte es das nicht geglaubt.

Auch im Mentoring erlebe ich es immer wieder, dass sich MindMates eine Menge Druck machen, heute die perfekten Entscheidungen für die Zukunft treffen zu müssen. Sie alle fürchten späte Reue. Doch wir können Entscheidungen nur mit dem Wissen und der Erfahrung von heute treffen. 

Diese Grenze gilt es zu akzeptieren. Und wir dürfen uns mit dem Gedanken anfreunden, dass es völlig in Ordnung ist, uns in einigen Wochen oder Jahren anders zu entscheiden. 

Ich kenne eine ältere Dame, die seit über 50 Jahren in einer unglücklichen Ehe verharrt. Sie hat sich nicht nach 15 oder 40 Jahren Ehe-Erfahrung gegen diesen Partner entschieden. Sondern sie äußert sich bis heute so: „Ich bereue es, damals auf dieser Veranstaltung gewesen zu sein. Denn dort habe ich ihn kennen gelernt.“

Ist es nicht tragisch, so lange an der Reue festzuhalten?

Lass uns also den Fokus auf das Hier und Jetzt richten und es bezüglich der Reue mit Édith Piaf halten:

Reue

Denn letztlich heißt „Nein, ich bereue nichts!“ im Umkehrschluss: „Ja, ich akzeptiere mich!“

Mind your regrets.

MindMuse Simone

P.S.:

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