Kreatives Schreiben mit meiner „Brechwurzel-Methode“
Kreatives Schreiben ist eine der hilfreichsten Methoden, mit der wir uns auf unserem SelbstErlebnisWeg begleiten können. Und für mich ist jede Form des kreativen Schreibens gleichzeitig auch therapeutisches Schreiben. Denn kreatives Schreiben kann eine heilsame Handlung sein.
Ich sehe kreatives Schreiben als eine einfache und effiziente Möglichkeit, mich selbst, mein Selbst, auszudrücken. Und das ist für uns MindMates, die wir dazu neigen, unsere Gefühle und Gedanken, unser Sein, zu unterdrücken, geradezu lebensnotwendig. Denn kreatives Schreiben ist eine der Möglichkeiten, die wir den Kompensationsmethoden wie (Ess)Problemen entgegensetzen können.
Was ist kreatives Schreiben?
Der Begriff „kreatives Schreiben“ kommt ursprünglich aus dem englischsprachigen Raum (creative writing) und entstand bereits um 1900. Zunächst wurde der Begriff für das journalistische und später auch für das literarische Schreiben verwendet. Dabei ging es also vorwiegend darum, durch kreatives Schreiben Ergebnisse – in Form von guten Texten – zu erzielen.
Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff „kreatives Schreiben“ heute eher mit Spaß am Umgang mit der Sprache und mit der Möglichkeit der Selbstreflexion in Verbindung gebracht. Selbstreflexion bedeutet, das eigene Denken, Fühlen und Handeln zu hinterfragen und zu analysieren. In dieser Form setze ich kreatives Schreiben in meinen SelbstErlebnisKursen ein.
Und manchmal setze ich kreatives Schreiben auch für mich selbst noch so ein. Dann stelle ich mir schreibend eine konkrete Frage und/oder schreibe über ein bestimmtes Thema. Meistens jedoch ist es die letzten Jahre so gewesen, dass ich mich schreibend mental ausgekotzt habe. Da ich die entscheidenden Phasen der SelbstErkenntnis, des SelbstVerständnisses und der SelbstAkzeptanz bereits hinter mir habe, geht es nicht mehr so sehr um das gezielte, schriftliche Hinterfragen und Analysieren.
Mentales Auskotzen
Mentales Auskotzen auf Papier bedeutet für mich, einfach los zu schreiben. Ich schreibe unsortiert auf, was mir gerade in den Sinn kommt. All das, was diese Art von Druck in mir erzeugen kann, den ich früher nur über der Kloschüssel loswerden konnte. Das ist naturgemäß überwiegend Negatives und Schweres. Auf Papier kann ich auch so richtig schön kleinlich und peinlich sein.
In manchen Lebensphasen habe ich mir eine bestimmte Zeit vorgegeben und in anderen eine bestimmte Seitenzahl. Letztlich geht es darum, uns die Möglichkeit zu verschaffen, an den Punkt zu gelangen, an dem wir innerlich auf die positive, leichte Seite kippen. Das passiert dann, wenn wir uns ausgekotzt haben. Haben wir das Destruktive abgebaut, ist Raum für Konstruktives entstanden.
So funktionierte kreatives Schreiben jahrelang für mich. Es ist ein großartiges Mittel zum Zweck. Und deshalb habe ich Notizbuch um Notizbuch gefüllt. Diese Notizbücher habe ich in den hintersten Ecken meiner Schubladen versteckt. Denn selbstverständlich sollte niemand lesen, was ich geschrieben habe. Doch immer lauerte folgender Gedanke in einer Ecke meines Kopfs: „Was ist, wenn irgendjemand aus irgendwelchen Gründen Zugriff auf diese Ansammlung deiner Mentalkotze bekommt?“
Ein radikaler Schritt
Zum einen hatte ich wirklich viele Notizbücher angesammelt, in denen letztlich immer wieder das Gleiche stand. Und das ist völlig in Ordnung. Denn es geht ja nicht um das Erschaffen literarischer Meisterwerke, sondern um das schriftliche Ausdrücken der Dinge, die uns das Leben schwer machen. Und das sind naturgemäß ähnliche Gedanken, Gefühle und Erfahrungen, die mit den Mustern zu tun haben, die wir in unserem Ursprungssystem gelernt haben und die unsere Version des Ur-Glaubenssatzes „Ich bin nicht gut genug!“ nähren.
Zum anderen registrierte ich, dass ich mich häufig schreibend zurückhielt, denn es bestand ja die Möglichkeit, dass irgendwann irgendjemand mit meinem geistigen Auswurf in Berührung kommen könnte.
Deshalb habe ich im vergangenen Spätsommer etwas Radikales getan. Zuerst habe ich alle Notizbücher nochmal quergelesen und mir Kleinigkeiten herausgerissen oder -geschrieben. Anschließend habe ich in einer feierlichen Zeremonie alles verbrannt. Und diesen Prozess empfand ich als sehr erleichternd. Es war so, als hätte ich die finale Toilettenspülung gedrückt und alles endgültig weggespült.
Nach dieser Erfahrung habe ich überlegt, wie kreatives Schreiben zukünftig für mich aussehen kann. Und ich habe begonnen, das Erlebnis dieses Spätsommertages zu rekonstruieren. Das mache ich jetzt seit Monaten mehrmals wöchentlich. Und ich erlebe durch meine „Brechwurzel-Methode“ jedes Mal im Kleinen diese Form der Befreiung, des Wegspülens.
Kreatives Schreiben mit der Brechwurzel-Methode
Ich nenne meine neue Methode „Brechwurzel“, weil dieser Begriff sich aus „Brechen“ also der gemäßigteren Wortwahl für „Kotzen“ und aus „Wurzel“ (lat. radix, radikal) zusammensetzt. Ich kotze mich auf noch radikalere Art mental aus. Denn weil ich meine Mentalkotze vernichte, weiß ich ganz genau, dass niemand jemals lesen wird, was ich geschrieben habe.
Konkret bedeutet das, dass ich mir drei Schmierblätter bereitlege und den Timer meines Handys auf 20 min stelle. Ich nutze die Rückseite von Fehlversuchen, die aus meinem Drucker gekommen sind. Leeres Druckerpapier also, ohne Linien oder irgendetwas. Und dann schreibe – oder besser schmiere – ich los. Oftmals beginne ich so ähnlich: “Montagmorgen. Es nervt mich total, dass die Spülmaschine kaputt ist. …”
Ist die Zeit abgelaufen oder sind die drei Seiten voll, lese ich mir selbst laut vor, was ich geschrieben habe. Dabei finde ich meistens einen wichtigen Satz. Und den schreibe ich in mein Notizbuch (Werbung). Diesen Satz finde ich frühestens auf Seite zwei. Denn an diesem Punkt bin ich mit den Oberflächlichkeiten, wie der Spülmaschine, durch. Dadurch können Sätze wie dieser entstehen: “Ich will den white space, das Nichts, den Raum, in dem das Etwas tatsächlich wirken kann.” Dieser Satz war an diesem speziellen Tag wichtig für mich. Danach zerreiße und verbrenne ich die drei Seiten.
Die Pflanze „Brechwurzel“ soll übrigens tatsächlich bei körperlichem Brechreiz helfen. Und kreatives Schreiben mit meiner Brechwurzel-Methode hilft bei mentalem und emotionalem Brechreiz.
Radikales, kreatives Schreiben
Kreatives Schreiben kann sehr vielfältig und unterschiedlich eingesetzt werden. Letztlich geht es auch hier immer wieder darum, die Methode zu wählen, die zum aktuellen Zeitpunkt für uns funktioniert. Und es spricht auch nichts dagegen, zwischen unterschiedlichen Methoden hin und her zu springen.
Vielleicht probierst du meine „Brechwurzel-Methode“ auch mal aus:
Kotz dich radikal auf Papier aus.
Lies dir das Geschriebene laut vor.
Falls du einen wichtigen Satz findest, notiere ihn.
Vernichte deine Mentalkotze.
Nutze den Raum, den du geschaffen hast, konstruktiv.
Kreatives Schreiben funktioniert übrigens dann am besten, wenn du keine bestimmten Erwartungen daran hast. Fokussiere dich also möglichst nicht auf ein bestimmtes Ergebnis, beispielsweise auf die konkrete Lösung eines Problems, sondern auf das Erlebnis. Natürlich kannst du schreibend versuchen, Lösungen zu finden. Doch das Entscheidende ist dabei das Schreiben und nicht das Finden der Lösung.
Denn es tut einfach gut, alles ungefiltert herauszulassen. Und das kann früher oder später dabei helfen, Lösungen zu finden oder wahrzunehmen, dass sich Probleme in Luft aufgelöst haben.
Mind your methods.
MindMuse Simone