Wie du deine Bedürfnisse sättigst

Ist dir bewusst, wie wichtig die Sättigung deiner Bedürfnisse ist?

Für mich gibt es das  „Gesetz der Kompensationsmethoden“ und es lautet so:

Solange wir unsere Bedürfnisse und Grenzen nicht priorisieren, werden wir Rückfälle in Kompensationsmethoden haben.

Dieses „Gesetz“ habe ich nach vielen Jahren der (Selbst)Beobachtung formuliert. 

Und ja, es ist eine der größten Herausforderungen, sich nach den eigenen Bedürfnissen und Grenzen zu richten. Denn das setzt das Eingeständnis voraus, dass wir individuelle Grenzen und Bedürfnisse haben. Und es bedeutet die Akzeptanz dieser Bedürfnisse und Grenzen. 

Doch wenn die Diskrepanz zwischen unserem Wunschbild („So sollte ich sein“) und unserem Selbstbild (“So bin ich“) sehr groß ist, fällt uns das Eingeständnis und die Akzeptanz sehr schwer. Denn dann glauben wir, anders sein zu müssen, als wir tatsächlich sind. Wir halten uns für falsch, für nicht gut genug. Und deshalb halten wir auch unsere Bedürfnisse und Grenzen für falsch und lernen, sie zu missachten.

Was sind Bedürfnisse?

Die allgemeine Definition von Bedürfnissen, die ich an diversen Stellen im Internet gefunden habe, lautet: Ein Bedürfnis ist eine Mangelerscheinung, die den Wunsch auslöst, den Mangel zu befriedigen. Außerdem wird zwischen dem „Zustand eines Mangels“ und dem „Erleben eines Mangels“ unterschieden. Und je größer die Diskrepanz zwischen Wunsch- und Selbstbild ist, desto häufiger erleben wir uns als mangelhaft. 

An dieser Stelle kommen Kompensationsmethoden wie Essstörungen ins Spiel: Der „Zustand eines Mangels“ wäre körperlicher Hunger. Ich habe Hunger, ich esse etwas, der Mangel ist beseitigt. Doch es gibt eben auch noch das “Erleben eines Mangels“. Das wäre dann der innere (seelische, emotionale) Hunger. Und den kann ich mit essen (hungern oder kotzen) zwar kurzfristig unterdrücken, aber nicht stillen. Deshalb wird das Erleben eines Mangels langfristig dadurch größer und häufiger.

Der Unterschied zwischen Symptom und Ursache

Daher stelle ich an dieser Stelle die Fragen:

Wonach hungerst du wirklich?

Was schluckst du eigentlich permanent runter?

Was findest du tatsächlich zum Kotzen?

Dabei geht es um die Bedürfnisse, die hinter der Kompensationsmethode liegen. Es geht beispielsweise um das Unterscheiden zwischen dem „Symptom Essstörung“ und der Ursache, die das Symptom ausgelöst hat und es nährt. Und diese Ursache ist die Diskrepanz zwischen Wunsch- und Selbstbild.

Denn unser Wunschbild ist so unrealistisch, dass wir es niemals erreichen können. Anstatt das zu erkennen, unterdrücken wir unsere wahren Bedürfnisse immer wieder in dem verzweifelten Versuch, unserem Wunschbild zu entsprechen und uns endlich gut genug und richtig zu fühlen. Unser Selbstbild ist übrigens genauso unrealistisch. 

Folgendes trifft auf jede MindMate zu, mit der ich in all den Jahren in irgendeiner Form Kontakt hatte:

Bedürfnisse

Das sogenannte Wunschgewicht ist dabei nur ein Beispiel.

Welche Bedürfnisse unterdrückst du?

Bedürfnisse und Grenzen sind immer wieder ein großes Thema auf unserem SelbstErlebnisWeg. Und es geht häufig nicht nur darum, die eigenen Grenzen und Bedürfnisse zu erkennen und zu akzeptieren, sondern sie auch noch vor anderen Menschen vertreten zu können:

Ich habe heute einen freien Tag und möchte eigentlich spazieren gehen. Doch weil meine Nachbarn mich bestimmt für faul halten, wenn ich tagsüber sinnlos herumlaufe, werde ich die Fenster putzen.

Eigentlich findet heute Abend mein Yoga-Kurs statt. Doch wenn mein Partner nicht anbietet, die Kinder ins Bett zu bringen, bleibe ich zu Hause.

Eigentlich will ich heute Abend alleine einen ruhigen Abend auf dem Sofa verbringen. Doch weil meine beste Freundin will, dass ich mit ihr ausgehe, werde ich das tun.

Warum uns die anderen wichtiger sind

Kennst du ähnliche Situationen aus deinem (Er)Leben? Und hast du dich schon mal gefragt, warum du dich häufig so verhältst? Warum fällt es dir so schwer, NEIN zu anderen und JA zu dir zu sagen? Und achte doch mal darauf, wie oft du das Wort „eigentlich“ benutzt, denn das ist ein Hinweis darauf, dass du deine Bedürfnisse möglicherweise gerade hinten anstellst.

Wir tun das, weil wir (unbewusst) hoffen, dass wir für das Unterdrücken unserer Bedürfnisse etwas von anderen Menschen zurückbekommen: 

Weil ich jetzt die Fenster putze, denken die Nachbarn, dass ich fleißig bin. 

In diesem Fall glaubst du, dass durch die (mögliche) Anerkennung deiner Nachbarn eine größere Befriedigung deiner Bedürfnisse stattfinden wird, als durch einen Spaziergang, für den du dich entscheidest. 

Weil ich nicht zum Yoga gehe und die Kinder ins Bett bringe, wird mein Partner besonders nett zu mir sein.

In dieser Situation glaubst du, dass durch die (mögliche) Zuneigung deines Partners eine größere Befriedigung deiner Bedürfnisse stattfinden wird, als durch die Entscheidung zu deinem Yoga-Kurs zu gehen und deinen Partner – falls nötig – frühzeitig daran zu erinnern.

Weil ich mit meiner Freundin ausgehe, wird sie mir besonders viel Aufmerksamkeit schenken.

Hier glaubst du, dass durch die (mögliche) Aufmerksamkeit deiner Freundin eine größere Befriedigung deiner Bedürfnisse stattfindet, als durch einen gemütlichen Abend alleine auf dem Sofa.

Abhängig von anderen

Wir ignorieren unsere Bedürfnisse, weil wir hoffen, dass wir dadurch von anderen Menschen die Anerkennung, Aufmerksamkeit und Bestätigung bekommen, die dazu führt, dass wir unserem Wunschbild entsprechen. Wenn wir perfekt für andere sind, sind wir perfekt, und fühlen uns auch so, glauben wir.

Doch die Realität ist, dass wir uns dadurch in Abhängigkeiten begeben. Wir machen uns abhängig von der Meinung anderer Menschen über uns und vom Verhalten anderer Menschen uns gegenüber.

Wir ignorieren unsere Bedürfnisse und machen andere Menschen für deren Befriedigung verantwortlich. Und genau das nährt unsere Kompensationsmethoden.

Ja, vielleicht halten die Nachbarn dich für fleißig, vielleicht auch nicht. Möglicherweise denken sie auch gar nicht über dich und dein Verhalten nach. Es könnte auch sein, dass sie dich darum beneiden, dass du tagsüber spazieren gehst. Doch all das ist unwichtig.

Denn du lebst nicht in Kopf und Körper deiner Nachbarn, sondern mit deinen eigenen Gedanken und Gefühlen.

Wichtig ist, dass du für die Befriedigung deiner Bedürfnisse zuständig bist und dir dadurch erlebbar machen kannst, dass nur das den Kompensationsmethoden Nahrung entziehen und die Lücke zwischen Selbst- und Wunschbild schließen kann.

Deine Bedürfnisse – deine Verantwortung

Lerne dir selbst zu geben, was du glaubst, von anderen zu brauchen:

Falls du von anderen Menschen Anerkennung (für dein Handeln) möchtest, erkenne dein Handeln selbst an.

Wenn du von deinem Partner zuvorkommend behandelt werden willst, behandele dich selbst zuvorkommend.

Solltest du von anderen Personen Aufmerksamkeit wollen, schenke dir selbst deine Aufmerksamkeit. 

Denn andere Menschen gehen überwiegend so mit dir um, wie du selbst mit dir umgehst. Je mehr du also auf deine Bedürfnisse und Grenzen achtest, desto häufiger werden sie es auch tun. Und möglicherweise wirst du dann wahrnehmen, dass die Anerkennung und Aufmerksamkeit der anderen nett aber nicht entscheidend ist.

Das ist ähnlich wie mit dem (Wunsch)Gewicht. Seit mir mein (mentale) Gesundheit wichtiger ist als mein Gewicht, halte ich problemlos ein gesundes Gewicht. Und das ist nice aber nicht (mehr) entscheidend für mich. Die Lücke zwischen Selbst- und Wunschbild ist geschlossen und das lässt keinen Raum mehr für ungesunde Kompensationsmethoden.

Egoismusalarm?

Kommt dir der Gedanke egoistisch vor, deine Bedürfnisse zu priorisieren? Dann gebe ich dir noch mehr Gedankenfutter: Wenn du die Sättigung deiner Bedürfnisse überwiegend in die Hände anderer Menschen legst, machst du dich nicht nur abhängig, sondern verhältst dich auch manipulativ. Denn du gehst mit einer anderen Person eine Art Deal ein, von dem diese Person gar nichts weiß:

Ich tue, was du willst, dafür will ich von dir Liebe, Bestätigung und/oder Anerkennung.

Und weil dein Gegenüber nichts von diesem Deal weiß, kann das für Missverständnisse und Konflikte sorgen. Wie häufig befindest du dich innerlich in einem Mangelzustand von:

Ständig tue ich etwas für andere und sie erkennen es nicht an und geben mir nichts zurück!

Wie behandelst du dein Gegenüber, wenn du dich in diesem Zustand befindest?

Und nährt dieses Verhalten nicht dein ungesundes Selbstbild im Sinne von:

Egal, wie sehr ich mich anstrenge, es ist nie gut genug?

Oder, wie es eine MindMate kürzlich treffend formulierte:

Ich tue gefühlt ALLES und bekomme NICHTS zurück.

Deshalb: Deine Bedürfnisse – deine VerANTWORTung!

Mind your needs.

MindMuse Simone