Über die Chance in der Essstörung: Happy Birthday, lebenshungrig <3

Heute ist ein besonderer Tag für mich, denn lebenshungrig wird offiziell zehn Jahre alt!

Daher möchte ich euch mit auf die Lebensreise von lebenshungrig nehmen. Denn sie zeigt, dass Essstörungen nicht nur psychosomatische Erkrankungen, sondern auch große Chancen sind.

Das Jahr 1998 war für mich das Jahr, in der ich meine Essstörung nach zehn Jahren endgültig und bis heute hinter mir lassen konnte. Vielleicht kennt ihr den Spruch „Wenn sich eine alte Tür schließt, öffnet sich eine neue.“ Und während der Überarbeitung des Online-Workshops GEWICHTIG ist mir vor einigen Wochen bewusst geworden, dass dieser Spruch auf mein damaliges Erleben zutrifft.

Die alte Tür hat sich geschlossen, als ich mich selbst radikal auf Platz eins meiner Prioritätenliste gesetzt habe. Ein innerer Prozess war abgeschlossen und ich war bereit – im Bewusstsein sämtlicher Konsequenzen – zu handeln. Ich setzte wichtigen Menschen Grenzen und ich versprach meinem Körper, dass er von nun an für mein Essen und mein Gewicht verantwortlich war.

Plötzlich schien alles so einfach und ich war frei. Zentnerweise fielen Lasten von mir ab und das Leben wurde so viel leichter. 

Durch mein Handeln ging ich durch die neue Tür und die alte hat sich so endgültig verschlossen, dass es sich anfühlt, als wäre ich von einem Leben in ein anderes gegangen. Ich weiß noch sehr genau, welche Gedanken Essgestörte haben und ich erinnere mich nur zu gut an den Gefühls-Teufelskreis aus Schuld, Scham, Wut, Angst und Trauer. Ich weiß, wie schrecklich es ist, morgens wach zu werden und sich als erstes mit dem gestrigen „Versagen“ beschäftigen zu müssen.

Doch seit fast 18 Jahren bin ich völlig frei davon. Ich kann so unbefangen mit den Themen Essen und Gewicht umgehen, als hätte es die Essstörung nie gegeben.

Die Geburtsstunde

In den Jahren nach 1998 war ich erst mal mit leben und genießen beschäftigt. Doch das Thema Essstörung und meine Erfahrungen damit waren hintergründig immer da. Und der Wunsch, anderen Betroffenen durch meine Geschichte zu helfen, wurde immer größer.

Und dann, als ich eines Tages in 2004 mit dem Auto vom Hof meiner Eltern fuhr, schlug ein Gedanke wie ein Blitz bei mir ein: Du gehst mit deiner Geschichte ins Internet! …und dann setzte ich erst mal das Auto gegen die Mauer…

Während diese Idee heute niemanden mehr vom Hocker reißt, war sie damals geradezu revolutionär. Denn vor über 12 Jahren war die Technik Lichtjahre entfernt von heute. Und außerdem bedeutete das für mich persönlich, komplett und mit allen Konsequenzen zu mir und meiner Geschichte zu stehen – auch in der Öffentlichkeit.

Es dauerte über ein Jahr, bis die erste Version von lebenshungrig online ging und sie sah so aus:

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Und weitere drei Jahre später war die erste Version des Online-Workshops GEWICHTIG fertig. Mittlerweile stiegen die Zugriffe auf lebenshungrig stetig und damit häuften sich auch die E-Mails mit Fragen, die ich bekam. Und ich überlegte, wie ich diese Fragen irgendwie strukturiert und gebündelt beantworten könnte: GEWICHTIG war die Antwort. So wurde aus Dankbarkeit und aus dem Bedürfnis helfen zu wollen mit den Jahren ein Business, das es mir mittlerweile ermöglicht, mich voll und ganz meiner Lebensaufgabe lebenshungrig zu widmen.

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Mein Weg raus aus der Essstörung, rein ins Leben dauerte circa zehn Jahre. Und mein Weg raus aus dem Angestelltendasein rein in die Selbständigkeit, dauerte ungefähr genau so lange. Selbständigkeit ist für mich die Königsklasse der Selbsterkenntnis und Selbstliebe, denn ich werde immer wieder auf mich zurückgeworfen. Es ist kein Chef da, der mir Entscheidungen abnimmt, es gibt kein regelmäßiges Gehalt, auf das ich mich verlassen kann und niemand steht für meine Fehlentscheidungen gerade.

Und doch würde ich für nichts auf der Welt tauschen wollen. Während der zehn Jahre lebenshungrig habe ich so viel lernen dürfen, vor allem über mich. Ich bin unendlich dankbar für die vielen Frauen, die ich auf ihrem Weg begleiten durfte. Nichts macht mich innerlich so satt, wie die E-Mails, in denen mir ehemalige Workshopteilnehmerinnen mitteilen, dass sie all die positiven Veränderungen die sie erlebt haben, niemals für möglich gehalten haben.

Während ich als Essgestörte permanent eine innere Unruhe hatte und nichts mit mir anzufangen wusste, weiß ich heute gar nicht, welche meiner Ideen ich zuerst umsetzen soll. Gerade freunde ich mich damit an, dass ich wahrscheinlich gar nicht alle umsetzen kann. Und auch das ist völlig in Ordnung. Ich mache – von dem was ich will – was ich kann.

Relaunch 2011

Relaunch 2011

 

Die Chance

Ich bin nicht nur frei von der Essstörung, ich bin auch beruflich frei, ich bin innerlich frei. Und diese Freiheit gibt mir Sicherheit.

Ohne die Essstörung hätte ich diese Freiheit nie kennen gelernt. Ohne die Essstörung hätte ich mich nie getraut, gewisse Entscheidungen zu treffen. Ohne die Essstörung hätte ich tiefe Dankbarkeit und Demut nicht kennen gelernt. Ohne die Essstörung wäre ich nicht in der Lage, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden. Ohne die Essstörung hätte ich nicht bedingungslos zu lieben gelernt, mich und andere.

Und das ist es, was ich euch allen von ganzem Herzen Wünsche: Erkennt die Chance, die in der Essstörung liegt. Diese schlimme Krankheit ist der Finger, der euch so lange gnadenlos darauf hinweist, dass ihr nicht euer eigenes Leben lebt, bis ihr es verstanden habt und bereit seid, bedingungslos in eurem Sinne zu handeln.

Nicht das Essen oder euer Gewicht sind euer Problem. Es ist der Mangel an Selbstwertgefühl. Und kein Gewicht, kein Diplom, kein Mann und kein Geld der Welt wird euch dauerhaft Selbstwertgefühl geben können. Der Weg raus aus der Essstörung ist ein Weg nach Innen.

Und wenn du den tatsächlichen Wert deines Selbst fühlen kannst, wirst du auch im Außen bekommen, was du willst: Ein gesundes Gewicht, gesunde Beziehungen und ein glückliches Leben!

Ganz herzlichen Dank, dass ihr alle dazu beitragt, diese Botschaft zu verbreiten!

lebenshungrige Grüße

Simone