Die zweiundzwanzigste Geschichte (d)einer Essstörung

Eine weitere mutige Frau, die ihre Geschichte offen mit uns teilt:

Ich bin Schülerin an einem Gymnasium, mache nächstes Jahr mein Abitur, bin also momentan (dem wundervollen G8 sei Dank) in der 11. Klasse. Ich hatte letztes Jahr einen Notendurchschnitt von 1,1, wenn ich mich anstrenge kann ich mein Abitur mit 1,0 erhalten und ich strenge mich an.

Egal, ob es meine Freunde, die Schule oder auch meine Figur betrifft, ich strenge mich immer an, wenn ich etwas will. Und ich will die Beste sein, besser als alle anderen, ich will beneidet werden, ich will angehimmelt werden. Aber selbst bin ich nicht einmal in der Lage mich zu akzeptieren. Ich schaue in den Spiegel und weine. Ich sehe mich, ein junges Mädchen, und ich finde mich nur hässlich. Ich bin dünn, das weiß ich, aber ich bin meiner Meinung nach nicht dünn genug bzw nicht trainiert genug.

Vor über einem Jahr habe ich eine Diät begonnen, habe sie strikt und konsequent durchgezogen und mich von einer pummeligen Figur auf ein Untergewicht runtergehungert. Schrittweise habe ich seit Juni mehr gegessen, bin aber dennoch in die Essstörung hineingerutscht. Ich kann nicht aufhören, Kalorien zu zählen, habe schreckliche Angst vorm Zunehmen. Ich will nicht unbedingt abgemagert sein, ich will nur wunderschön sein, perfekt aussehen. Wie ein Model. Schlank, ein trainerter Bauch, makellose Haut, volle und lange Haare.

Doch ich schaffe es nicht, bin unzufrieden und entspreche nicht meinen Idealen.

Ich möchte Psychologie studieren, setze mich ständig wegen des NCs unter Druck – und doch habe ich paradoxerweise vor einer Weile eine Therapie begonnen. Lustig, ein Mädchen, das anderen helfen will, das Therapeutin werden will, macht selbst eine Therapie, nicht? Lachhaft. Aber ich mache es trotzdem. Warum? Weil ich weiß, dass es sein muss, weil ich alleine nicht aus meiner Essstörung und meiner Selbstzerfleischung herauskomme.

Ich weiß nicht, ob ich es schaffen werde, ob ich nicht vorher aufgebe und allem ein Ende setze, ich weiß nicht, ob ich jemals gesund werde, einen Freund habe, den ich liebe und bei dem ich ich selbst sein kann und vollkommen zufrieden damit bin – ich habe keinen Schimmer.

Dennoch schreibe ich meine Geschichte auf, ich weiß nicht einmal, zu welchem Zweck. Ich hatte gestern einen Essanfall und liege jetzt im Bett, bin eigentlich am Lernen, und zähle die Zeit, bis ich mir es erlaube, etwas zu essen.

Vielleicht habe ich ja irgendwann eine Erleuchtung und alles ändert sich. Vielleicht.

Wo findest du dich in dieser Geschichte wieder und was nimmst du daraus mit?

Das Aufschreiben und Veröffentlichen deiner eigenen Geschichte hilft dir und anderen!

Schicke mir die Geschichte deiner Essstörung an info@lebenshungrig.de und ich veröffentliche sie hier anonym.

lebenshungrige Grüße

Simone