Warum Frauen mit einer Essstörung Gleichgesinnte brauchen

Frauen mit einer Essstörung

Wie Ihr bereits erfahren habt, bin ich ein großer Fan von Inspiration durch Filme und Bücher. Diejenigen von Euch, die bereits am Workshop teilgenommen haben wissen, dass James Camerons Megahit „Titanic“ einer dieser Filme ist, die mich auf meinem Weg raus aus der Essstörung begleitet haben.

Der Kern der Message

Und nein, ich bin ehrlich gesagt keine große Romantikerin, die auf rettende Prinzen auf weißen Pferden steht. Was mich an der Geschichte von Rose und Jack  sehr beeindruckt ist, die Wandlung der Frau durch die uneingeschränkte Unterstützung des Mannes. Dieser Mann hat etwas in dieser Frau gesehen, dass sie erst durch seine Ermutigung leben konnte. Und dann hat sie es – ihr eigenes Leben – mit großem Mut in Angriff genommen. Gegen sämtliche Konventionen und Zwänge. Selbst als er dann im kalten Atlantik starb, hat sie sich nicht „Julia-und Romeo-like“ ebenfalls in die Fluten gestürzt, sondern, sie hat sich mit aller Konsequenz in ihr Leben geworfen.

Anfangs war sie zutiefst unglücklich, sich ihres goldenen Käfigs bewusst und so verzweifelt, dass sie den Selbstmord vor Augen hatte. Die Begegnung mit ihm hat ihr die eigene Stärke und die eigenen Wünsche und Ziele gezeigt.

Dieser Kern der Lovestory ist es, den ich sehr mag. Denn er enthält keine „Ich liebe Dich, wenn Du Dich so verhälst, wie ich es möchte.“ Botschaft. Seine Botschaft lautet: „Ich liebe Dich weil Du so bist, wie Du bist. Und Du bist sehr stark.“

Echte Unterstützung

Wir Frauen trauen uns häufig nicht, zu unseren Stärken zu stehen, unsere Meinung zu sagen und – auch mal mit Gegenwind – unser Leben zu leben. Wir setzen zu häufig auf unsere Optik und auf angepasst sein. Wir setzen (unbewusst) auf die Essstörung, damit wir das Bequemsein ertragen…

Denn richtig schlimm trifft es zum Beispiel die Frauen, die sich für Frauen und ihre Belange einsetzen. Prominentestes und bestes Beispiel ist Alice Schwarzer. Von dem Moment an, als sie den Feminismus zu ihrem Thema machte, wurde sie für viele von der anerkannten Journalistin zur „männerhassenden, lesbischen, häßlichen Emanze, die nur mal richtig durchgev….. werden muss.“ Ich habe gerade ihre Autobiografie gelesen und erfahren, dass sie all diese Hähme und Angriffe nur durchsteht, weil sie auf der anderen Seite auch sehr viele Gleichgesinnte hat.

Aber auch im Kleinen bedeutet Stärke zeigen und zu seiner Meinung zu stehen, häufig, dass wir angegriffen werden. Von schwachen Männern und von schwachen Frauen. Denn beide fühlen sich bedroht von uns.

Gleichgesinnte gehen den gleichen Weg

Wir Frauen mit einer Essstörung sind meist Frauen, die mit Hilfe der Essstörung ihre Stärke unterdrücken um angepasster und pflegeleichter für unsere Umgebung zu sein. Geliebt zu werden ist uns scheinbar wichtiger, als uns selbst zu lieben.

Daher ist es für uns unentbehrlich, Menschen um uns zu haben, die uns uneingeschränkt und uneigennützig auf dem Weg raus aus der Essstörung unterstützen. Häufig sind das Menschen, die uns erst mal gar nicht so nah stehen und die von Außen einen sehr scharfen und ungefilterten Blick auf uns haben.

Wahrscheinlich ist es Euch auch schon mal so ergangen, dass Ihr die Probleme eines anderen Menschen schnell erkannt und – in der Theorie – auch lösen konntet. Das funktioniert so gut, weil wir in diesem Fall von Außen auf das Problem schauen. Wenn ich von Außen auf den Globus schaue, habe ich einen viel besseren Überblick über unseren Planeten, als wenn ich mitten in Deutschland sitze…

Schlüsselerlebnisse

Während meiner Zeit in der Klinik hatte ich z. B. zwei Schlüsselerlebnisse, durch die mir andere Menschen sehr geholfen haben:

Ich war erst ungefähr zwei Woche in der Klinik, als Michael – ein ehemaliger Alkoholiker – die Klinik verlies. Zum Abschied gab er mir den folgenden Satz mit: „In Dir steckt ein Vulkan, lass ihn endlich ausbrechen.“ Mit diesem einen Satz hatte er es so was von auf den Punkt gebracht…

Er hatte meinen enormen Freiheitsdrang und meinen großen Wunsch nach Gerechtigkeit erkannt und beides mit einfachen Worten in ein passendes Bild verwandelt. Und er hatte begriffen, dass es wichtig für mich war, diese Dinge nicht nur selbst zu leben, sondern sie auch zu benennen und anderen (Frauen) näher zu bringen. Er war definitiv einer meiner Jack Dawsons!

Und ich hatte auch ein weibliches Pendant dazu, eine Jacky Dawson quasi: Nach einer Therapiestunde, in der wir überwiegend getanzt hatten sagte eine Ordensschwester, die sich auf Grund von Depressionen in der Klinik befand zu mir: „Ich hoffe, Du kannst diese große Gabe erkennen, die Dir geschenkt wurde. Du kannst Musik ganz wunderbar und einzigartig durch Deinen Körper ausdrücken.“

Sie hat mir eines meiner Talente bewusst gemacht und mich darauf hingewiesen, dass ich diese auch einsetzen und dankbar dafür sein kann.

Die Seele lebendig machen

Die Essstörung los zu lassen, heißt immer auch, seine eigenen Wünsche Bedürfnisse und Ziele zu leben und dabei seine Talente einzusetzen.

„Zu wissen, was Du willst, anstatt demütig zu dem Ja und Amen zu sagen, von dem Dir die Welt vorschreibt, dass Du es wollen sollst, bedeutet, dass Du Deine Seele lebendig gehalten hast.“ sagt Robert Louis Stevenson

Mit Menschen, die gleichgesinnt  sind, geht das wesentlich leichter, als ganz alleine. Wenn ihr mit Hilfe solcher Menschen selbst-bewusster werdet, wird es auch immer leichter, zu sich zu stehen und dem Gegenwind stand zu halten.

Frauen mit einer Essstörung brauchen andere Frauen mit einer Essstörung.

Frauen mit einer Essstörung brauchen andere Frauen.

Frauen mit einer Essstörung brauchen andere Menschen.

Sucht aktiv nach Gleichgesinnten. Menschen, die zu brauchen Euch gut tut, ohne dass Ihr abhängig von ihnen und ihrer Meinung werdet.

lebenshungrige Grüße

Simone