Du glaubst, du läufst im Kreis, aber du läufst in einer Spirale!
Seit es den Online-Workshop GEWICHTIG auf lebenshungrig.de gibt, beobachte ich folgendes Phänomen: Teilnehmerinnen beginnen enthusiastisch, lassen nach einigen Wochen stark nach und beginnen Monate später erneut.
Woher ich das weiß? Weil sie es mir schreiben!
Ich bekomme viele Mails mit in etwa diesem Inhalt:
Liebe Simone,
wegen meiner Essstörung habe ich vor einigen Monaten mit dem Workshop begonnen und während der letzten Wochen nicht viel damit gearbeitet weil … Jetzt möchte ich aber erneut durchstarten und dabei habe ich festgestellt, dass ich versehentlich die Woche xxx gelöscht habe. Kannst Du mir die bitte noch mal zusenden?
Danke, Deine XXX
Und ich wette, dass auch ein Großteil derjenigen, die mir nicht schreiben, mehrere Starts hingelegt haben bzw. sehr große Pausen zwischen den Workshopeinheiten machen.
Warum ich wette? Weil das “normal” ist!
Wir sind Perfektionisten.
Und wenn wir uns dann endlich mutig dazu entschlossen haben, etwas gegen unsere Essstörung zu unternehmen, erwarten wir, dass wir den Weg vom Start (Krankheit) zum Ziel (Gesundheit) schnell und in gerader Linie zurücklegen.
Spätestens beim ersten Rückfall merken wir, dass es so nicht funktioniert. Und dann greift unser Perfektionismus. Wir machen uns Vorwürfe, zweifeln an uns, halten uns für disziplinlos und glauben insgeheim, dass nur wir so unfähig sind.
Diese Gedankengänge – die bei den meisten von uns unbewusst ablaufen – sind der ideale Nährboden für einen weiteren Essanfall.
Wir können unseren Perfektionismus genau so wenig wie unsere Essstörung von jetzt auf gleich ablegen. Aber wir können uns immer wieder vor Augen führen, dass wir perfektionistisch sind. Das ist per se nichts Gutes oder Schlechtes. Es ist ein Teil von uns.
Wenn Du das nächste Mal merkst, dass Du Dich innerlich fertig machst, weil Du etwas scheinbar nicht perfekt machst, weil Du das Gefühl hast, irgendwie im Kreis zu laufen, nehme es einfach wahr. Aha. Da ist er mal wieder, der Perfektionismus. Beobachte weiter, was dieses perfektionistische Denken mit Deinen Gefühlen macht. Fühlst Du Dich schuldig, schlecht etc. ? Und wie häufig führen solche Gefühle zu Rückfällen?
Manche Dinge und Situationen müssen wir scheinbar wieder und wieder erleben, bis wir es anders – oder besser – machen können. Der Weg ist ein Lernprozess. Wir lernen, umzudenken. Wir lernen, unsere Gefühle deuten zu können. Wir lernen, anders zu handeln. Und erst dann bekommen wir auch andere Ergebnisse.
Wir laufen nicht kreis-rund, sondern spiralförmig
In den Zeiten, in den wir den Fortschritt nicht sehen können, fühlen wir uns oft, als würden wir im Kreis laufen oder im berühmten Hamsterrad. Wir fühlen uns, als würden wir immer und immer wieder an der gleichen Stelle vorbei kommen und das Ziel scheint weit entfernt. Aber so ist es nicht. Solange wir das Ziel “raus aus der Essstörung” vor Augen haben, sind wir auf dem Weg. Auch wenn wir gerade die Nase voll davon haben, aktiv etwas zu tun. Auch wenn wir gerade nicht am Workshop arbeiten und in Therapie sind. Solche Null-Bock-Phasen gehören dazu. Und nur, weil wir irgendwann einmal mit irgendetwas aufgehört haben, bedeutet das noch lange nicht, dass wir nicht JETZT wieder weiter machen können.
Ich liebe das Bild von der Spirale. Auch wenn wir scheinbar immer wieder an der gleichen Stelle auf unserem Weg vorbeikommen, so befinden wir uns jedes Mal auf einer höheren Ebene (Punkte A, B, C) und irgendwann sind wir am Ende der Spirale angelangt, die Essstörung ist nicht mehr da.
Wenn ich den mühsamen “Spiralenweg” geschafft habe, dann kannst Du ihn auch schaffen. Immer einen kleinen Schritt nach dem anderen!
lebenshungrige Grüße
Simone