Tatort Wohlstandskrankheit: Der Kampf gegen sich selbst

Letzen Sonntag tauchte im “tatort” das Thema weibliche Genitalverstümmelung auf. Diese grausame Praktik wird noch heute – hauptsächlich in afrikanischen Ländern – ausgeübt und hat furchtbare Folgen für die beschnittenen Frauen, wenn sie es denn überleben. Zwar habe ich nicht zum ersten Mal davon gehört, aber dieser “tatort” hat mir mal wieder in Erinnerung gerufen, wie privilegiert wir deutschen Frauen sind.

Denn wir leben in einem friedlichen Land, in dem wir die selben Rechte (und Pflichten) haben, wie Männer. Zumindest sollte das so sein. In der Praxis müssen wir da noch an so vielem arbeiten, da gibt es unzählige Gehaltsungerechtigkeiten und in vielen Familien sind leider auch heute noch die Söhne mehr wert, als die Töchter.

Aber anstatt unsere Freiheit zu genießen und uns aktiv für die Gleichberechtigung einzusetzen und Organisationen zu unterstützen, die sich z. B. für Aufkärung und gegen Genitalverstümmelung in Afrika einsetzen, kämpfen wir Frauen leider all zu häufig gegen uns selbst. Anstatt jeden Morgen auf die Knie zu fallen und dem lieben Gott dafür zu danken, dass wir hier und nicht in einem somalischen Flüchtlingslager leben – in dem Hunger und Gewalt regieren – sind wir gewalttätig gegen uns selbst.

Wir kämpfen gegen unseren Körper, unser Aussehen, weil wir glauben, dass es da etwas zu optimieren gibt. Und weil wir glauben, dass nur ein Leben mit „optimaler Optik“ lebenswert ist.

Für mich ist die Essstörung eine Wohlstandskrankheit.

Unsere Grundbedürfnisse sind gestillt und so entwickeln wir „Scheinbedürfnisse“ die da superdünn, wunderschön und immerjung lauten. Unsere Hülle wird immer wichtiger, während unser Innenleben immer unwichtiger zu werden scheint. So habe ich z. B. letzte Woche gelesen, dass die große Mehrheit der Amerikanerinnen lieber einen Schönheitspreis als einen Nobelpreis gewinnen würde. Und zwei von drei Amerikanerinnen würde sich lieber von einem Auto anfahren lassen, als Gewicht zuzulegen…

Natürlich weiß ich, dass die Gründe und Auslöser für eine Essstörung vielschichtig und vielseitig sind. Wir alle haben auf Grund der ungesunden Strukturen unserer Herkunftsfamilien  ein gestörtes Verhältnis zu unserer eigenen Identität, zu unserem eigenen Körper und gepaart mit unserer Sensibilität und dem kulturellen Einfluss waren die Voraussetzungen ungünstig.

Aber wir sind auch alle ein Teil dessen. Wir sind ein Teil dieser Kultur die dazu führt, dass „noch dünner“, „noch schöner“ und „noch jünger“ immer wichtiger wird.

Versteht mich bitte nicht falsch. Ich möchte hier nicht zu mutwilliger Hässlichkeit und Ungepflegtheit aufrufen. Aber ich möchte daran erinnern, dass unser Äußeres nur ein Teil von uns ist und nicht ALLES.

Gerade das scheinbar Unperfekte an uns macht uns doch einzigartig.

Ich möchte Euch dazu aufrufen, der Gewalt gegen Euch selbst ein Ende zu bereiten. Jede einzelne von Euch hat individuelle Gründe, Ursachen und Auslöser gehabt. Ihr könnt Eure Vergangenheit nicht mehr ändern, aber ihr könnt daraus lernen. Unternehmt aktiv etwas für Euch selbst. Und dann schaut, wie ihr anderen Frauen, anderen Menschen, helfen könnt.

Denn nichts schmeckt so gut wie Hilfe zur Selbsthilfe sich anfühlt, Frau Moss.

lebenshungrige Grüße

Simone