Die achtundzwanzigste Geschichte (d)einer Essstörung

Eine weitere mutige Frau, die ihre Geschichte offen mit uns teilt:

Die Essstörung hat sich vor 2 Jahren in mein Leben geschlichen.

Ich wusste vom ersten Tag an genau auf was es hinausläuft, ich wusste, es ist nicht gut. Ich hatte nie diese Gedanken das ich nur ein „bisschen“ abnehme und alles gut ist. Ich startete nämlich bei 48 kg bei 161 cm und hätte nicht abnehmen müssen. Das war das eigentlich Kranke an der Sache, dass ich mich mit vollem Bewusstsein dazu entschloss, mich bis auf die Knochen abzuhungern. Ich wollte es, und will es wahrscheinlich insgeheim auch heute noch.

Anfangs fiel es mir natürlich extrem schwer auf gewisse Dinge wie Brot usw zu verzichten. Doch jeden auch nur so kleinen Streit mit meinem Mann oder jegliche kleinste Hürde in meinem Leben sah ich als Anlass, mich ins „nicht essen“ zu stürzen. Es gab mir Halt! Genau das ist es, was mich süchtig machte. Dieser Halt den ich wahrscheinlich bei meiner Familie und Freunden – warum auch immer – vergeblich gesucht habe.

Ich bin vielleicht auch selber Schuld, ich bin ein Mensch der alles lieber selbst macht und keine Hilfe annehmen kann. Wie es aussieht, hätte ich sie doch dringender gebraucht, als ich immer dachte. Ich klammerte mich daran, meine „Freundin“ die Magersucht, zu haben und sonst nichts mehr in meinem Leben zu brauchen. Ich aß so, das ich noch genug Kraft dazu hatte meinen Sohn zu versorgen. Hätte ich ihn nicht würde es jetzt mit mir wahrscheinlich nicht mehr so rosig aussehn.

Bei 42 kg habe ich mich meinem Mann anvertraut, aufgefallen wäre meine ES niemandem, was mich natürlich sehr verletzte. Auch wenn jeder immer abstreitet das es ein Hilferuf ist, ich bin der Meinung, es ist ein sehr lauter innerer Hilferuf. Bei mir jedenfalls. Ich mache mir selbst und meiner Familie immer wieder vor, dass ich alles wieder im Griff habe, doch ich schlucke keinen Bissen, trinke keinen Schluck ohne dieses Schuldgefühl zu spüren. Ich liebe und hasse es. Ich liebe den Halt und das Gefühl des Höhenfluges nach einer weiteren mit Magenknurren hinter mich gebrachten Nacht, und ich hasse es das ich nicht mehr normal und frei leben kann. Alle meine Gedanken drehen sich nur noch um dieses Thema.

Mein liebstes Hobby ist Backen und Kochen, doch werde ich wahrscheinlich immer eine noch schlechtere Köchin und noch schlechtere Bäckerin wenn ich keine Kostprobe nehmen kann. Ich werde eine noch schlechtere Mutter und eine noch schlechtere Ehefrau wenn ich keinen normalen Familienalltag verbringen kann, an dem gemeinsames Essen groß geschrieben wird. Ich habe Angst, meine Familie zu zerstören, und gleichzeitig diesen enormen Drang, einmal im Leben stark zu sein.

Ich will meine „Freundin“ nicht aufgeben, sie gehört zu mir.

Ein Zwispalt, den ich selbst sehe, und nichts daran ändern kann.

Vielen Dank, alleine das Aufschreiben tat schon gut!

Wo findest du dich in dieser Geschichte wieder und was nimmst du daraus mit?

Das Aufschreiben und Veröffentlichen deiner eigenen Geschichte hilft dir und anderen!

Schicke mir die Geschichte deiner Essstörung an info@lebenshungrig.de und ich veröffentliche sie hier anonym.

lebenshungrige Grüße

Simone