Eine erfolgreiche Fortsetzungsgeschichte: Kathrins Weg raus aus den Essstörungen, rein ins Leben. Teil 11: Susie Orbach

Susie Orbach: Anti Diät Buch und Lob des Essens

Ich erinnere mich, als sei es gestern gewesen, wie ich meiner besten Freundin auf dem Flohmarkt stand (18 Jahre alt, fröhlich, hübsch und essgestört) und mich innerlich zwischen einem Politik-Buch und dem Anti-Diätbuch entschied, ich nahm das Politik-Buch. Irgendwie wusste ich, dass mir Susie Orbachs Buch deutlich mehr bringen könnte, persönlich, aber ich wollte mir vielleicht auch nicht die Blöße geben. Entscheidend waren weder Freundin noch Antiquar, sondern schlicht ich selbst. In mir war noch nicht das Selbstbewusstsein herangereift zu dem zu greifen, was ich brauchte. Ich wusste natürlich, dass ich krank war, aber es wäre ein Schritt nach außen gewesen, der noch nicht passte. Also nahm ich das Buch über die Nazizeit, dessen Kauf ich bis heute nicht bereue. Aber ich weiß, hätte ich das Buch von Susie Orbach früher entdeckt, hätte ich mir Leid erspart oder dem Problem einen Namen geben können und das Gefühl gehabt nicht alleine zu sein und dass es durchaus Auswege gab aus der Misere, bzw. sie sich nicht einfach auflöst, wenn ich erstmal zum Studieren in eine andere Stadt ginge.

Das Buch von Susie Orbach schildert in feministischer Manier einige Themen:

Was bedeutet Dicksein für Esssüchtige?

Was bedeutet Dünnsein für Esssüchtige?

Wie Esssüchtige Hunger erleben

Selbsthilfe

Magersucht und medizinische Anmerkungen

Über das hohe Lob der Selbsthilfegruppen kann ich mich nicht auslassen, denn nie habe ich als Esssüchtige darin meinen Weg gesucht, aber die vorgeschlagenen Ansatzpunkte wirken überzeugend. Entscheidend war für mich, als ich nach Ablegen meiner ES das Buch erstmals in die Hand nahm, wie ähnlich ich den beschriebenen Frauen war. Die großen Fragen werden extrem nah und ehrlich beantwortet von Betroffenen, es zeigt auf drastische Weise das absurde und kranke Denken der Esssgestörten. Ein kluges und schroffes, ehrliches Buch. Besonders berührt haben mich die Skizzen, in denen der Fettschicht bestimmte Bedeutungen zugewiesen werden und die Erklärungen, wodurch „Essen“ passieren kann, wenn körperlich kein Hungergefühl da ist:

  1. Essen als gemeinsames Erlebnis
  2. Orale Hungergefühle
  3. Essen auf Vorrat
  4. Wohl verdientes Essen
  5. Gesichertes Vergnügen
  6. Essen aus Nervosität
  7. Essen in Feiertagsstimmung
  8. Essen aus Langeweile

Meine persönlich Liste ließe sich rückblickend noch deutlich erweitern um:

– Essen aus Angst

– Essen, um Druck zu kompensieren

– Essen aus Protest

– Essen aus unterdrückter Wut

– Essen, um Trauer zu verdrängen

Also allesamt: Essen, um sich nicht mit den wirklichen, ernsten und tieferen Gefühlen auseinanderzusetzen.

Wer sich intensiv mit den Ursachen und Auswirkungen seiner Essstörung befasst hat und bereit ist an sich zu arbeiten, dem empfehle ich darüber hinaus Susie Orbachs Mini-Büchlein: Lob des Essens Goldene Regeln, die jeder gesunde Mensch beherrscht ohne darüber nachzudenken, von Essgestörten aber wahre Heldentaten abverlangt, mit dem Ziel seinen Körper ernst zu nehmen und die Signale zu deuten in selbstwirksamer und liebevoller Weise. Ein praktischer Wegweiser, um auch „äußerlich“ zu lernen einzugreifen in seine Anfälle, Gefühle auszuhalten und lernen dann zu essen, wenn der Körper es braucht und sich langfristig glücklich zu machen ohne Verbote und Druck.