Phase 3: Balance, Baby!

Heute erzähle ich euch erneut über einen dieser Gedanken, die immer wieder in meinem Kopf auftauchen. Und der Gedanke lautet: „Ich bin in Phase drei meines ErLebens.“ Vielleicht kannst du mit dieser Aussage gar nichts anfangen. Keine Sorge, genau so ging es mir anfangs auch.

Dieser Gedanke tauchte meistens dann auf, wenn ich (bewusst) darüber nachgedacht habe, wie es für mich mit MindMeals weitergeht und warum der Abschied des etablierten „lebenshungrig“ als Begriff notwendig war. Denn diesbezüglich habe ich mich manchmal selbst nicht so recht verstanden: „Warum nimmst du dir selbst weg, was du dir jahrelang aufgebaut hast?“

Auf diese Fragen gibt es unterschiedlichste Antworten, über die ich hier auch schon berichtet habe: Jemand hat ein Buch über Essstörungen geschrieben und es „lebenshungrig“ genannt. Weil diese Person angeblich nicht wusste, dass es meine Website – zu diesem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren – gibt. Und es gab weitere Copycats. Selbsthilfegruppen mit diesem Namen tauchten auf und es gab Websites mit demselben Namen, aber einer anderen Endung.

Wenn man kopiert wird – in welcher Form auch immer – hat das durchaus auch positive Aspekte. Denn kopiert wird nur, was etabliert ist und in irgendeiner Form auch funktioniert. Doch all dieses Kopieren war für mich – rückblickend betrachtet – der Anfang vom Ende von lebenshungrig. Und ja, mir ist natürlich bewusst, dass mir genau das erneut passieren kann.

Doch es gab weitere Aspekte. Einer der bereits mehrfach erwähnten war, dass der Begriff „lebenshungrig“ ganz konkret für das Thema „Essstörungen“ stand. Und rein marketingtechnisch war das optimal. Doch für mich persönlich war es das irgendwann nicht mehr. Denn ich bekam das Gefühl, dass zu viel um meine Vergangenheit ging und zu wenig Raum für meine Gegenwart vorhanden war. Und ja, auch das hätte ich anders machen können, ohne den Namen dafür ändern zu müssen.

Mittlerweile komme ich mehr und mehr zu der Erkenntnis, dass die Namensänderung für meinen persönlichen Eintritt in „Phase drei“ steht. Das macht sogar zeitlich Sinn. Und jetzt versuche ich euch mal zu erklären, was ich mit „Phase drei“ meine: Die ersten 25 Jahre meines Lebens habe ich sehr viel gebraucht und genommen. Einerseits weil ich ein Kind war, andererseits weil ich krank war.

Mit 25 ist das gekippt. Ich konnte die Essstörung endgültig hinter mir lassen und gut mit meiner chronischen Erkrankung umgehen. Ich heiratete, bekam Kinder und gründete lebenshungrig. Anders – und stark vereinfacht gesagt – ich kippte vom Nehmen ins Geben. Und manchmal fühlte ich mich so verpflichtet (zurück) zu geben, dass ich es mir selbst schwerer als nötig gemacht habe.

Ein konkretes Beispiel hierfür ist „LEICHTER-intensiv“. Das war eine Variante des SelbstHilfeProgramms, die Telefonate beinhaltete. Ich bot das an und das Angebot wurde angenommen. Und das hat wirklich gut funktioniert und auch mir selbst viel gegeben. Doch es hat mich auch sehr viel gekostet. Vor allem, als ich angefangen habe, ein Jahresprogramm mit mindestens 22 Gruppen-Telefonaten zu machen.

Und damit mich hier niemand falsch versteht: Weder bereue ich, dass ich diese Erfahrung gemacht habe, noch waren die Telefonate an sich problematisch. Mein Knackpunkt, den ich erst jetzt so richtig als „persönlichen Kostenpunkt“ begreifen kann, war, dass ich mich über einen Zeitraum von einem Jahr zu etwas verpflichtet habe. Anders gesagt: Für mich bedeutete das immer, ich muss von Januar bis Dezember zur Verfügung stehen.

Und das wollte ich ja auch. Aber ich wusste nie, ob ich es auch konnte. Denn was wäre passiert, wenn ich ernsthaft erkrankt wäre oder einen schweren Unfall gehabt hätte? Klar hätte ich das Geld anteilig zurückzahlen können. Doch mein Thema war die persönliche Verpflichtung, mein moralischer Anspruch an mich selbst. Denn ich habe und hatte ja keine „Ersatzperson“. Die Teilnehmerinnen wollten das Telefon-Mentoring von und mit mir, unter dieser Prämisse haben sie in das Programm investiert.

Mit dem Eintritt in die Phase drei – letztes Jahr bin ich 50 geworden – ist mir das deutlich bewusster geworden. Ich habe realisiert, dass ein Teil von mir letztendlich ein Jahr lang die Luft angehalten hat. Und war das Jahr vorbei, ging das Luftanhalten von vorne los. Das war nicht hochdramatisch, sonst hätte ich es früher bemerkt.

Doch der Preis, den ich dafür gezahlt habe, war, dass ich viele andere Projekte nicht umsetzen konnte, weil mich diese „Jahresverpflichtung“, bzw. mein diesbezüglicher Anspruch an mich selbst, zu viel Energie gekostet hat.

Phase eins war also die Zeit des Nehmens und Phase zwei war die Zeit des Gebens. Phase drei ist für mich die Zeit der Balance. Es war nötig, mich vom SelbstHilfeProgramm zurückzuziehen und erst mal keine Intensiv-Variante mehr anzubieten. Ich brauchte zwei Jahre Regeneration. Und dann war auf einmal die Lust und das Interesse wieder da, ein neues SelbstHilfeProgramm für essgestörte Frauen zu erstellen.

Meine Intention für Phase drei ist, dass ich noch genauer hinschaue, damit eine so lange Erholungsphase nicht mehr nötig ist. Ich bin noch immer bereit, viel zu geben. Aber nicht mehr zu jedem Preis. Vielleicht wird es sogar wieder eine Intensiv-Variante mit Telefonaten geben. Aber es wird definitiv keine Jahresvariante sein.

Und nochmal: Weder die Teilnehmerinnen noch die Telefonate waren ein Problem. Im Gegenteil, für alle Beteiligten war es hilfreich, erleichternd und bereichernd. Denn es tut gut zu erleben, dass wir mit unseren Themen nicht alleine sind. Und es ist inspirierend und motivierend zu erfahren, wie andere mit diesen Themen umgehen.

Lediglich die lange Verpflichtung in Kombination mit meinen Ansprüchen an mich selbst haben mir die Jahresvarianten schwerer gemacht, als es mir bewusst gewesen ist.

All das teile ich heute auch mit euch, weil „der persönliche Preis von etwas“ auch während der Einzel-Telefon-Mentorings immer wieder Thema ist.

Wie deutlich ist uns eigentlich, was das, was wir tun, uns persönlich (an Energie, Lebensqualität, Gelassenheit, …) kostet? Denn erst, wenn wir uns des persönlichen Preises wirklich bewusst sind, können wir ebenso bewusst entscheiden, ob wir tatsächlich bereit sind, diesen Preis zu zahlen.

Ich wünsche euch eine ausbalancierte Woche.

MindMuse Simone