Die drei hinderlichsten Glaubenssätze
auf deinem Genesungsweg
Es gibt drei bestimmte Glaubenssätze, die ich von mir selbst kenne und die mir auch als Mentorin immer wieder begegnen. Und da die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass auch du dir deinen Genesungsweg mit diesen Überzeugungen erschwerst, teile ich diese Glaubenssätze und deren Auswirkungen heute mit dir. Außerdem gebe ich dir jeweils einen neuen Satz mit, den du vielleicht irgendwann ebenso wie ich glaubst – in dem du dir seine Wahrheit beweist.
Nr. 1:
Ich muss das ganz alleine schaffen!
Vor allem zu Beginn meiner Essstörung wäre ich lieber gestorben, als Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich habe mich so sehr für meine scheinbare Schwäche geschämt und hatte unendliche Schuldgefühle. Und ich wollte den Schein wahren. Denn äußerlich funktionierte ich. Doch innerlich kämpfte ich einen grausamen Kampf gegen mich selbst. Und leider war ich extrem hart zu mir und sehr leidensfähig. Doch irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und war bereit, mich ein wenig zu öffnen und Hilfe anzunehmen. Und dann machte ich die wichtige Erfahrung, dass Hilfe annehmen hilft. Doch es dauerte noch lange, bis es für mich selbstverständlich wurde, mir durch die Hilfe anderer selbst zu helfen. Meistens wartete ich, bis ich einfach nicht mehr konnte.
Und dann kam der Moment in dem ich erkannte, dass ich es mir genau dadurch unnötig schwer machte.
Meine Bereitschaft zu leiden wurde immer geringer. Von da an konnte ich meinen Weg tatsächlich leichter und schneller gehen. Meine Genesung hatte oberste Priorität und ich ging regelmäßig in eine Selbsthilfegruppe und zu einer Therapeutin, die ich sogar – obwohl ich noch Studentin war – selbst bezahlte. Ich investierte Zeit und Geld in Hilfe von Außen und es half.
Das Mitteilen und Besprechen mit anderen entlastet uns und hilft, den Blickwinkel auf uns und unsere Situation zu ändern. Und wir erkennen dadurch, dass wir mit unserem Denken, Fühlen und Handel nicht alleine sind. Das hungert Scham, Schuld, und Isolation regelrecht aus.
Ich glaube, dass es nahezu unmöglich ist, den Genesungsweg ganz alleine zu gehen. Und ich weiß, dass er sich mit anderen definitiv leichter und schneller geht.
Daher lautet mein neuer Glaubenssatz heute:
Ich nutze alles und jeden das/der/die mir hilft, und zwar so lange ich es/ihn/sie brauche!
Beispielsweise war ich war so lange regelmäßig in der Selbsthilfegruppe und bei der Therapeutin, bis ich ganz gesund war und beides nicht mehr benötigte.
Nr. 2:
Habe ich etwas verstanden, muss ich es auch sofort erfolgreich umsetzen können!
Wie die meisten Essgestörten dachte auch ich zu Beginn, dass in meinem Gewicht, bzw. in meinem Aussehen, das Problem und somit auch die Lösung lag. Doch ich musste schmerzhaft lernen, dass ich durch diese Annahme nur noch ein weiteres Problem hinzugewann: Die Essstörung. Und als ich dann versuchte, die Ursachen für all das zu finden, fiel es mir häufig wie Schuppen von den Augen.
Die Mutter aller Glaubenssätze
Ich erkannte, dass mein ursprüngliches Problem in meinem Mangel an Selbstwert und dem daraus entstandenen Ur-Glaubenssatz “Ich bin nicht gut (genug)!” begründet lag und ich fand heraus, woran das lag. Dann wurde ich euphorisch und glaubte, dass ich diese Erkenntnis doch einfach “nur” praktisch anzuwenden brauchte. Mit anderen Worten: Problem erkannt, Problem gebannt.
Doch so funktionierte es leider nicht. Denn obwohl ich beispielsweise erkannt hatte, dass es mir schwer fiel NEIN zu sagen, wenn ich NEIN meinte, konnte ich nicht allein auf Grund dieser Erkenntnis und das Wissen um die Ursache plötzlich Grenzen setzen. Und weil ich das nicht konnte, begann ich erneut, mich zu verurteilen und an mir zu zweifeln. Ich wurde frustrierter, schämte mich, baute Druck auf – und fütterte die Essstörung. Unzählige Male habe ich diesen Teufelskreis durchlaufen.
Bis ich erkannte, dass für diesen Prozess mehrmaliges Erkennen und Verstehen notwendig ist, um in die Umsetzung zu gelangen. So beobachtete ich beispielsweise, dass ich anfangs erst Stunden oder Tage später feststellte, dass ich NEIN gemeint und JA gesagt hatte und welche negativen Auswirkungen das auf meine Essstörung hatte. Einige Zeit später konnte ich direkt nach einer Situation erkennen, dass ich mal wieder meine Grenzen nicht geachtet hatte. Und dann kam der Moment, in dem ich vorher realisierte: “Achtung, das wird eine Situation werden, in der du auf deine Grenzen achten musst!”. Eines Tages war es dann so weit: Ich konnte direkt in der Situation NEIN sagen, weil ich NEIN meinte.
Daher lautet mein Glaubenssatz heute:
Das Verstehen in ein erster, wichtiger Schritt, doch zur erfolgreichen Umsetzung sind Zeit und Wiederholung notwendig!
Heute weiß ich, dass es darum geht, unser Unterbewusstes “umzuprogrammieren” und wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, fällt uns das, was früher unmöglich schien – plötzlich leicht.
Nr. 3:
Alle anderen sind schneller/weiter/besser als ich!
Essgestörte haben eine geringe Meinung von und gleichzeitig überhöhte Ansprüche an sich selbst. Durch dieses innere Ungleichgewicht können sie nie mit sich zufrieden sein. Als ich selbst noch Essgestört war, habe ich mein Aussehen mit der Schönsten, mein Gewicht mit der Dünnsten, meine Leistungen mit der Besten etc. verglichen. Und so habe ich dafür gesorgt, dass ich in meinen Augen immer die Verliererin war. Ich war nie damit zufrieden, wie ich war und ich war auch nicht damit zufrieden, wo ich war.
Als ich mich dann mit der Essstörung auseinander setzte, wurde mir das immer bewusster. Doch auch meine Genesung ging ich zunächst ähnlich an. Ich verglich mich mit Frauen, die schon weiter waren, weil sie schon länger an sich arbeiteten. Ich bewunderte andere für ihre Fortschritte und Erkenntnisse, doch meine eigenen machte ich klein und sah sie kaum.
Positiveres Selbstbild, positivere Glaubenssätze
Bis ich erkannte, dass nicht ich das Problem war, sondern mein Selbstbild. Ich verstand, dass es nicht darum ging, eine andere zu werden, sondern die zu akzeptieren, die ich gerade war. Und ich erkannte, dass Vergleiche weder fair noch sinnvoll sind. Mir wurde bewusst, wie wichtig es ist, jeden kleinen Schritt in die richtige Richtung zu sehen und zu würdigen. Denn immer, wenn ich das nicht tat, ging mir eine ganze Weile die Puste aus.
Es ist Entscheidend, den Wunsch und das Ziel zu haben, wieder ganz gesund zu werden. Doch wenn du dort ankommen willst, solltest du akzeptieren wo du heute bist und würdigen wo du herkommst.
Daher lautet mein neuer Glaubenssatz heute:
Ich darf meinen Weg in meinem Tempo gehen!
Erlaube dir sinnvolle Unterstützung, sei geduldig mit dir und fair zu dir, dann ändern sich auch deine Glaubenssätze.
Und wenn du möchtest, darfst du meine neuen Glaubenssätze natürlich gerne für dich nutzen. Schreibe sie dir auf und sorge dafür, dass du sie häufig sehen und lesen kannst.
lebenshungrige Grüße
Simone
auf deinem Genesungsweg