Der verbissene Versuch, das Unkontrollierbare zu beherrschen

Je verzweifelter du versuchst Etwas zu beherrschen, umso mehr beherrscht es dich.

Das trifft nicht nur auf das Essen bzw. auf den Hunger oder unseren Körper zu.

Es ist beispielsweise auch auf Geld, Beziehungen und Erfolg übertragbar.

Doch warum fangen wir überhaupt mit diesem Kampf an?

Ich denke es liegt daran, dass uns zwei entscheidende Eigenschaften fehlen: Akzeptanz und (Selbst)Vertrauen.

In Bezug auf das Essen bzw. unseren Körper ist es doch so, dass wir ihn zunächst nicht akzeptieren können, wie er ist. Wir möchten ihn dünner und definierter haben. Denn wir glauben, dass mit einem Körper, der unserer Vorstellung von Perfektion bzw. dem gängigen Schönheitsideal entspricht, automatisch das perfekte Leben einhergeht. Und es ist in der heutigen Zeit leicht, diesem Irrglauben zu verfallen. Denn wir leben in einer Welt in der die Kardashians und Katzenbergers uns demonstrieren, dass man mit körperlicher “Optimierung” – selbst wenn sie vom Schönheitschirurgen modeliert wurde – sehr (erfolg)reich werden kann.

Doch was wir bekommen, ist ein Leben, das plötzlich von dem beherrscht wird, was wir anfangs versuchten, zu beherrschen: ESSEN.

Und das liegt an zwei Tatsachen, die wir nicht akzeptieren. Anfangs vor allem deshalb, weil sie uns nicht bewusst sind:

Ein “perfekter” Körper alleine macht niemanden dauerhaft glücklich.

Unser Körper ist auf Überleben ausgerichtet und hat deshalb langfristig mehr Macht als unser Wille.

Wir können unseren Körper nicht dauerhaft kontrollieren bzw. wenn wir es versuchen, zahlen wir einen sehr hohen Preis dafür. Doch dahinter steht der (unbewusste) Wunsch, unser Leben zu kontrollieren. Denn es fehlt uns an (Selbst)Vertrauen. Wir begreifen nicht, dass unser Körper unser Diener sein will und machen ihn zu unserem Herrscher. Wir machen ihn zu unserem Feind, der angeblich zwischen uns und unserem Glück steht und geben ihm dadurch mehr Macht, als uns und ihm gut tut.

Wir gehen in den Kampf mit ihm und versuchen ihn zu unterwerfen. Manchmal gewinnen wir eine Schlacht, doch er gewinnt immer den Krieg. Nicht weil er uns schaden will, sondern weil er überleben muss. Damit wir überleben können. Mit anderen Worten: Wenn wir ihn zu unregelmäßig und mit zu wenig Nahrung versorgen, lernt er, mit immer weniger auszukommen und das Wenige das er bekommt, bis ins Letzte zu verwerten. Und darin sehen wir einen Verrat und vertrauen ihm immer seltener und missbrauchen ihn noch mehr.

Die Krux ist: Erst wenn dein Körper dir wieder vertrauen kann, kannst du deinem Körper vertrauen.

Wahre Sieger kapitulieren

Was ich gemacht habe, um gesund zu werden?

Ich habe aufgegeben!

Damit aufgehört, gegen das Essen, gegen meinen Körper, gegen das Leben – gegen die Realität – zu kämpfen.

Und ich habe angefangen, zu vertrauen. Meinem Körper, dem Essen, dem Leben. Und vor allem mir selbst.

Ich habe all die alten Überzeugungen, Programmierungen und Glaubenssätze aufgegeben.

Und dadurch hat Neues Platz in meinem Denken, Fühlen und Handeln gefunden.

Als Folge dessen habe ich andere “Ergebnisse” bekommen, die wiederum mein neues Denken, Fühlen und Handeln gefüttert haben.

Kapitulation bedeutet nicht Resignation!

Zwar fand meine endgültige Kapitulation tatsächlich auf dem Boden neben der Toilette sitzend statt.

Doch von da an habe ich nicht mehr passiv und erledigt in der Ecke gesessen.

Im Gegenteil, ich fühlte mich leichter und freier. Und ich konnte endlich anders handeln.

Ich akzeptierte, dass ich weder meine Kindheit noch meine Krankheit rückgängig machen kann.

Doch ich muss mich heute von beidem nicht mehr beherrschen lassen. Denn ich habe meinen Frieden damit gemacht.

Das konnte ich, nachdem ich mir meine Geschichte genau angeschaut und verstanden habe, dass ich nicht anders werden konnte, als ich geworden bin. Und dieser Prozess hat Jahre gedauert und war gepflastert von unzähligen Rückschlägen und Rückfällen.

Niemand ist Schuld. Alle haben versucht, ihr Bestes zu geben.

Doch auch die anderen haben ihre Altlasten zu tragen und geben sie unbewusst weiter.

Ich habe die Last abgeworfen. Für mich und für die vor mir. Vor allem für die, die nach mir kommen.

Jetzt kann ich Leichtigkeit und Freiheit weiter geben.

Habe ich mein Leben heute im Griff?

Nein! Ich lasse das Leben auf mich zukommen: Ich übe mich weiter in Akzeptanz und (Selbst)Vertrauen.

Konkret bedeutet das, dass ich nur das Nötigste plane und keine konkreten Vorstellungen in Bezug auf meine Zukunft habe.

Erfahrungsgemäß sind die Pläne des Lebens besser als meine…

Die Idee und Umsetzung von lebenshungrig.de ist der beste Beweis dafür.

Sind Druck und Angst deshalb ganz verschwunden? Nein!

Doch sie sind deutlich seltener und schwächer.

Deshalb muss ich sie nicht mehr durch Essen/Kotzen/Hungern kompensieren und sie beherrschen mich auch nicht mehr.

Ich akzeptiere Druck und Angst und vertraue darauf, dass es gerade Etwas zu lernen für mich gibt.

Und ja, manchmal kann ich das auch erst, nachdem ich es mit ein klein wenig Kampf versucht habe…

Progress not Perfection!

Hör’ auf zu kämpfen und fange an zu verstehen

Ein erster Schritt kann ein ehrlicher Gedankensalat (schriftliches “Auskotzen” auf Papier, das kein anderer zu lesen bekommt) darüber sein, wohin dich dein Kampf bisher geführt hat und wie Kapitulation heute für dich aussehen kann. Ein zweiter Schritt kann der Entschluss zu einer (neuen/anderen) Therapie/Selbsthilfegruppe etc. sein, denn du musst diesen Weg nicht alleine gehen. Ein dritter Schritt kann die bewusste (schriftliche) Ausrichtung auf deine Ressourcen sein, auf die Dinge/Fähigkeiten, die du hast, kannst, bist. Denn das Positive wiegt oft zu wenig in unserem Bewusstsein. Doch du bist eine Erfolgsgeschichte, denn du bist – trotz allem was du bisher erlebt hast – noch da!

Finde deine Schritte und gehe sie. Tag für Tag. Egal wie winzig sie dir vorkommen. Die Richtung ist entscheidend.

Und wenn du das Gefühl hast, nicht schnell genug zu gehen und nicht weit genug zu sein, dann erinnere dich an zwei Wörter:

AKZEPTANZ: Ich bin da, wo ich bin!

(SELBST)VERTRAUEN: Und genau da soll ich gerade auch sein um dort hin zukommen, wo ich hin will!

lebenshungrige Grüße

Simone