Steffis Weg raus aus der Essstörung, rein ins Leben Teil 6: Kann es zu gut laufen?
Momentan läuft alles super. Vor zwei Wochen habe ich mein Praktikum bei der Schweizer Ernährungs und – Detoxfirma Fit ‚n’ Tasty angefangen und es macht wahnsinnig viel Spaß. Ich habe viel Verantwortung und kann trotzdem sehr eigenständig arbeiten. Ich habe viel mehr Zeit für mich selber als während der Uni, und nutzte dies um intensiv Yoga zu machen, Sport zu treiben oder mich mit Freunden zu treffen. Das Wetter ist toll, die Sonne scheint, ich bin gesund und dankbar. Seit einiger Zeit treffe ich mich sogar mit Freunden bzw. Bekannten, die mich um Rat in Sachen Ernährung, Fitness oder Essproblemen fragen. Es ist ein tolles Gefühl, zurückgeben zu können und zu wissen dass ich vielleicht der einen oder anderen Person aus ihrer Essstörung raus helfen kann, indem ich meine Geschichte erzähle und Ratschläge gebe.
Zu gut?!?
Und trotzdem, TROTZDEM hatte ich gestern eine FA. Kann mir das mal jemand erklären? Da schieße ich mir doch selber ins Bein! Was soll das? Wenn ich so „verschwenderisch“ mit meinem Glücke umgehe, dann habe ich all diese schönen Ereignisse doch gar nicht verdient…Oder?
Das sind die Gedanken die gerade durch meinen Kopf ziehen. Ich sitze hier und soll einen Eintrag über meine Erlebnisse des letzten Monats schreiben, derweil würde ich mich am liebsten heulend im Bett verkriechen. Ich dachte, FA’s hätte ich immer nur dann wenn ich gestresst bin oder etwas schief laufet? Aber wie ich feststellen muss, kann es mich auch in Situationen erwischen, wo scheinbar alles gut läuft. Wenn ich ehrlich mit mir selber bin, dann weiß ich woran es lag: Es war alles irgendwie „zu perfekt“. Ich hatte soviel freie Zeit, dass ich nicht wusste was ich damit anfangen soll. Diese Woche arbeite ich nämlich von daheim aus, und 5 Tage am Stück alleine daheim zu sein hat bei mir irgendwie ein mulmiges Gefühl ausgelöst. Auch habe ich mir nicht erlaubt, mal einfach nichts zu tun. Immer dachte ich: „Du musst diese Zeit nutzen um Yoga zu machen, zu meditieren, zu schreiben, zu entspannen, an dir zu arbeiten.“ Ich kann es nicht ertragen unproduktiv zu sein, und schaffe es sogar angenehme und entspannende Dinge zur Hausaufgabe zu machen.
Zumindestens bin ich mit dem Fressanfall gut umgegangen. Als mein Freund nach Hause gekommen ist, habe ich ihm gleich von dem Vorfall erzählt und vorgeschlagen dass wir einen kleinen Spaziergang machen. Oft schiebe ich den Vorfall nämlich vor mir her und möchte ungern darüber reden, obwohl ich weiß dass Reden das beste Heilmittel ist.
Heute morgen musste ich dann einen Termin absagen, weil ich meine Autoschlüssel nicht finden konnte und somit daheim festsaß. Das hat mich gleich wieder zurück in den FA-Modus katapultiert, und nun sitze ich hier in meinem Dilemma.
Was will ich mit all dem sagen? Erstens, FA´s können ganz unerwartet passieren, auch wenn es einem scheinbar gut geht. Und zweitens, sich zu stark unter Druck zu setzen um an sich zu arbeiten kann sich schnell ins Negative wenden. Was für Konsequenzen hat das? Für mich war dieses Ereignis eine Erinnerung daran, immer tief in mich zu hören, egal wie ruhig und entspannt ich mich zu fühlen scheine. Es hat mich auch daran erinnert, gesunde Grenzen zu ziehen und Ausgeglichenheit zu bewahren.
Kommt euch so ein eine Fressanfall bekannt vor?