“Binge Eating und Burnout”

Schön, dass wieder eine von euch meinen Wunsch erfüllt hat und mir mit den folgenden Worten ihre Geschichte geschickt hat:

Hallo Simone,
heute möchte ich dir einen kleinen Teil meiner Geschichte erzählen. Zum einen als Dank dafür, dass du diese Seite aufgebaut hast und ich mich in deiner Geschichte zum Teil sehr gut wiederfinden konnte. Zum anderen aber auch, weil ich das Bedürfnis habe, mich mal mitzuteilen. Die Seiten, die ich dir mitschicke, habe ich letzte Nacht geschrieben…

(D)eine Geschichte

Rückfall in die Binge Eating Disorder

Es ist halb zwei nachts. Aus therapeutischer Sicht und um mir hoffentlich damit zu helfen, möchte ich ganz aktuell meinen körperlichen und seelischen Zustand beschreiben, nachdem ich gestern wieder einen Fressanfall hatte und damit meinen ersten Rückfall, seitdem ich ernsthaft daran arbeite aus der Sucht auszusteigen. Ich habe Kopfschmerzen und kann nicht schlafen. Mein Mund fühlt sich ausgetrocknet an und ich habe noch den Nachgeschmack von Nutella. Nachdurst habe ich, als ob ich gestern Alkohol getrunken hätte und nicht zu viel Zucker gegessen hätte. Mein Bauch ist prall, aufgebläht und tut weh, mir ist etwas schlecht und ich habe zu viel Luft in meinem Körper. Gestern Abend ging es mir noch schlechter. Da waren zum einen die Übelkeit noch stärker, aber vor allem das schlechte Gewissen und der Selbsthass. Ich konnte gestern den ersten Anfall noch reflektieren, es aber dann doch nicht verhindern, dass ich mich abends noch weiter vollgefressen habe.

Ich bin derzeit krankgeschrieben, Burnout und weil ich endlich alle Hebel in Bewegung setzen möchte (muss) um mit dem Fressen aufzuhören. Aus dem Grund hatte ich gestern Zeit und habe für mich und meinen Freund etwas Schönes gekocht, ich liebe es zu kochen und zu backen und mit Rezepten zu experimentieren. Mein Freund ist im Moment in der Uni in einer Klausurphase und ziemlich im Stress.

Binge Eating und Selbsthass

Aber ich war gestern Abend mal wieder viel zu sehr mit mir, meinen Selbstvorwürfen, Selbsthass und dem dringenden Wunsch endlich aus dieser Hölle auszusteigen beschäftigt, so dass ich nicht nur mir sondern auch ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich in solchen Momenten und auch so viel zu häufig mit dem Thema Essen und Figur und der Frage nach dem Sinn des Lebens beschäftigt bin, dass ich nichts anderes wahrnehmen kann.

Diagnose Binge Eating

Ich bin 26 Jahre alt; mit 15 Jahren habe ich eine kurze Phase gehabt (halbes Jahr) in der ich sehr wenig gegessen habe und sehr schlank war (48 kg bei 1,67m). Nachdem mein erster Freund mit mir Schluss gemacht hat, weil er fremdgegangen ist, habe ich Trost bei Schokolade gefunden. Leider war kurze Zeit später die Schokolade und der Fernseher in meinem Kinderzimmer der zentrale Punkt in meinem Leben und ich wurde sehr einsam. Ich bin dann für ein High School Jahr in die USA geflohen in der Hoffnung, dort wäre alles besser und ich habe diese Idee und dieses Land geradezu idealisiert. Natürlich hatte mich dieses Jahr im Ausland nicht auf wunderbare Weise geheilt. Mit 73 kg Körpergewicht und einer extremen Form von Akne (Kirschstreusel im Gesicht), aber auch mit der Erkenntnis, dass ich an Binge Eating Disorder litt, kehrte ich nach Deutschland zurück. Meiner Mutter hatte ich mittlerweile davon erzählt und sie stand glücklicherweise hinter mir. Ich habe dann die erste Gesprächstherapie begonnen, aber als die Therapeutin zu mir meinte, ich soll mich nicht so anstellen, manche Mädchen würden noch viel mehr essen, bin ich nicht mehr dorthin gegangen.

Hilfe zur Selbsthilfe bei Binge Eating

Es folgte ein Auf und Ab, gute und schlechte Phasen. Im Sommer 2009 habe ich eine weitere Verhaltenstherapie angefangen. Diese habe ich nach einem halben Jahr abgebrochen, als ich mit zu der Familienaufstellung sollte, aber der Gedanke mein Problem anderen mitzuteilen hat mir so Angst gemacht, dass ich lieber wieder weggelaufen bin. Sommer 2011: nach einem Semester als Tutor in China und einer extremen Tiefphase in meiner Esssucht habe ich die Therapie wieder aufgenommen und bin im Herbst mit nach Frankreich zur Familienaufstellung gefahren. Im Sommer 2011 habe ich auch das erste Mal den Workshop angefangen. Aber sobald ich zwei drei gute Tage ohne Anfall hatte, habe ich die Arbeit an mir nicht mehr für nötig gehalten und mir die Zeit nicht mehr genommen. Bei einer 60-Stunden Woche im Büro plus Abendstudium hatte ich auch immer gut Ausreden was den Zeitfaktor anging. In 2012 habe ich mir dann das Buch „Frei von Zuckersucht“ gekauft und mich darin sofort wieder entdeckt. Aber auch die Arbeit mit dem Buch ist nach kurzer Zeit an meinem fehlenden Durchhaltevermögen gescheitert.

Die Notbremse 

Mitte Januar 2013 hatte ich wieder einen extremen Tiefpunkt und bin völlig zusammengebrochen, fünf Tage hintereinander bis zur Übelkeit gefressen, mit dem Gedanken wann ich es endlich schaffe mich tot zu fressen, auf der Arbeit in Tränen ausgebrochen, nur noch Fehler gemacht… Da habe ich die Notbremse getreten. Mein Arzt hat mich erst mal krankgeschrieben. Ich habe die Arbeit mit dem Workshop und dem Zuckerfrei-Programm wieder aufgenommen und mein Wille und Wunsch endlich frei leben zu können war noch nie so stark! Nach acht zuckerfreien Tagen dann gestern der erste Rückfall. Aber ich stehe wieder auf! Morgen geht es im Programm weiter!

Ganz herzlichen Dank für das Teilen dieser Geschichte!

Welche Gemeinsamkeiten hat sie mit deiner Geschichte und wann schickst DU mir DEINE?

lebenshungrige Grüße

Simone