Teil 4: “Ich brauche Ersatz für die Essstörung.”

Im Online-Workshop gibt es eine Aufgabe, die ganz simpel und doch so schwer durchzuführen ist:

Ersatz

Die Aufgabe lautet: Nimm Dir jede Woche ungefähr zwei Stunden Zeit und mache etwas, nur weil es Dir Spaß macht. Die einzige Voraussetzung hierfür ist: Du musst Dir selbst aussuchen was Du machen möchtest und Du musst es alleine machen. Im Workshop nenne ich das den ENTdeckertreff.

Wenn ich dann z. B. während eines Telefoncoachings frage, ob der ENTdeckertreff stattgefunden hat, bekomme ich meistens die folgenden beiden Antworten:

  1. „Nein, denn ich wusste einfach nicht, was ich alleine machen sollte.“
  2. „Nein, denn das ist ja nur so zum Spaß, es ist unwichtig und bringt mich nicht weiter.“

Aus diesen beiden Aussagen höre ich Folgendes heraus:

  1. „Ich habe mich total verloren und weiß gar nicht mehr, wer ich bin und was ich will.“
  2. „Ich muss hart arbeiten und diszipliniert sein, wenn ich es zu etwas bringen will. Es darf mir nicht einfach so gut gehen, dann habe ich irgendwie ein schlechtes Gewissen.“

Warum verlieren wir uns so leicht selbst?

Frauen, die eine Essstörung haben, sind verunsichert und haben sehr feine Antennen, was die Wünsche anderer Menschen betrifft. Um Sicherheit zu gewinnen und um positive Aufmerksamkeit zu bekommen, verhalten wir uns häufig so, wie die anderen Menschen das möchten. Und je länger wir das tun, um so mehr verlernen wir, was wir selbst eigentlich möchten. Wir kennen unsere eigenen Grenzen nicht, weil sie meist in unserer Herkunftsfamilie nicht akzeptiert wurden und so sind sie irgendwie verschwommen und unklar. Wenn wir wütend oder traurig sind, wenn wir Angst haben oder uns einsam fühlen, essen, kotzen oder hungern wir.

Wir brauchen Ersatz für die Essstörung

Wenn wir gesund werden wollen, müssen wir lernen, diese emotionalen Löcher anders zu stopfen. Und je früher wir das können, um so besser. Denn mit einem bisschen Ärger können wir leichter umgehen, als mit einem Haufen Wut. Wir ignorieren den Ärger so lange, bis die große Wut da ist. Aber die „dürfen“ wir ja nicht ausleben. Also leben wir sie in uns aus und haben einen Rückfall. Und so bleibt uns die Essstörung erhalten…

Um zu lernen, anders damit umzugehen, müssen wir wieder mehr auf uns selbst achten. Ärger. Aha, woher kommt der? Wenn wir in diesem Moment herausfinden, warum wir verärgert sind und uns dann überlegen, wie wir damit umgehen können, nehmen wir der Essstörung eine Grundlage.

Wir brauchen Zeit mit uns selbst um zu lernen, nicht mehr mit essen, hungern oder kotzen auf Dinge zu reagieren, mit denen wir nicht gut umgehen können. Wir müssen wieder lernen, wer wir sind und was wir wollen. Und wir müssen lernen, wo unsere Grenzen sind. Wenn wir diese Grenzen deutlich aufzeigen, werden sie auch von unserem Umfeld akzeptiert.

Der ENTdeckerTreff ist eine wunderbare Möglichkeit, bewusst zu überlegen, was will ich gerne machen, was macht mir Spaß, was brauche ich, was nährt mich? Wie kann ich lernen, gesunden Ersatz  zu finden?

Wie kann so ein ENTdecker-Treff aussehen?

Du sollst zwar alleine entscheiden und alleine losgehen, aber das heißt natürlich nicht, dass Du während des ENTdeckerTreffs völlig alleine sein musst. Du kannst z. B. einen Tanzkurs machen, eine Wellnessbehandlung genießen, ins Theater oder Kino gehen, eine Austellung besuchen, einen Bastelladen oder eine Buchhandlung durchstöbern, ein gemütliches Café aufsuchen und dort schreiben, Gleitschirmfliegen lernen, … ? Hauptsache, es interessiert Dich und macht Dir Spaß!

Warum glauben wir oft, dass es uns nicht gut gehen darf?

Die meisten von uns haben gelernt und vorgelebt bekommen, dass Leistung und Disziplin wichtig sind, um es zu etwas zu bringen. Wir glauben, dass alles harte Arbeit ist und irgendwie weh tun muss, sonst ist es nichts wert.

Solche Glaubenssätze sind Überzeugungen über uns selbst und darüber, was in der Welt um uns herum möglich ist.

Ich glaube heute weder an Disziplin, noch daran, dass erfolgreiche Arbeit weh tun muss. Ich glaube vielmehr, dass ein authentisches Leben automatisch motiviert und somit erfolgreich ist. So würde ich mich z. B. als sehr undiszipliniert beschreiben. Aber ich stehe jeden morgen auf und arbeite. Ich mache das, weil ich es sehr gerne mache, weil ich einen Sinn darin sehe, weil ich etwas weiter geben möchte. Ich brauche keine Disziplin, ich habe Motivation.

Um die eigenen Motive zu finden, müssen wir uns mit uns selbst beschäftigen. Neben dem ENTdeckerTreff arbeite ich daher im Workshop auch noch mit den ENTrümplungs-Seiten.

Was sind ENTrümplungs-Seiten?

Bei den ENTrümplungs-Seiten handelt es sich um einfaches Schreiben. Hierbei geht es nicht um Qualität, sondern um Quantität. Es geht darum, drei bis fünf mal pro Woche ca. zwei Seiten voll zu schreiben. Denn nur geschriebenes Denken ist konstruktives Denken. Wenn wir Dinge zu Papier bringen, können wir sie besser sortieren. Sind Ideen, Sorgen und Probleme nur in unserem Kopf, drehen wir sie häufig ohne Ergebnis in unserem Gedankenkarussell. Konkret bedeutet das: Einfach regelmäßig drauf los schreiben, das richtige Thema wird Dich schon finden!

Mindestens ein mal pro Woche ein Treffen mit Dir selbst, mindestens drei mal pro Woche schreiben. Zwei ganz simple Möglichkeiten, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.

Die Erfolgsgarantie liegt bei 100%, Du musst es nur tun!

lebenshungrige Grüße

Simone