Schongang Essstörung

Samstagabend ist mir etwas Blödes passiert. Ich habe meinen kleinen Sohn in die Badewanne gesetzt  und wollte nur schnell seine stinkigen Windeln in der Mülltonne entsorgen, da machte es „knacks“. Leider hatte ich die Treppenstufe verfehlt und landete mit meinem kleinen Zeh dagegen anstatt darauf. Von rot bis blau weist der Zeh sämtliche Farbnuancen auf, ist geschwollen und schmerzt, wahrscheinlich ist er gebrochen. Was mache ich also seit dem? Eigentlich wäre Ausruhen und Hochlegen angesagt. Aber ich habe mir einen „Zehenschongang“ angewöhnt und humpele, was das Zeug hält. Heute, drei Tage später, habe ich immer noch Schmerzen. Allerdings kaum noch im Zeh, sondern hauptsächlich in der Hüfte, vom ungesunden Schongang.

Warum ich Euch das erzähle?

Mir ist gerade bewusst geworden, dass dieses Verhalten sehr dem Verhalten von Essgestörten ähnelt: Es tut uns etwas in der Seele  weh, wir haben ein Problem mit dem wir nicht angemessen umgehen können und unsere Lösung – unser „Zehenschongang“ lautet Essstörung. Kurzfristig scheint diese Möglichkeit zu funktionieren und irgendwann brauchen wir diesen „Schongang“ obwohl er uns längst mehr Schmerzen bereitet, als das eigentliche Problem.

Wenn wir das endlich erkennen, gestaltet sich der Ausstieg schwierig. Wir beginnen, am Essverhalten herumzudoktern, glauben, dass wir nur die passende Diät und die nötige Disziplin brauchen, damit unser Leben schmerz- und problemfrei wird, damit wir uns den „Schongang“ wieder abgewöhnen. Wir sind der Überzeugung, dass wir „nur“ äußere Perfektion erreichen müssen, damit Probleme nicht mehr vorhanden sind bzw. wir angemessen mit ihnen umgehen können.

Leider – oder eigentlich Gott sei Dank – funktioniert es so nicht.

Nicht der Schongang ist das eigentliche Problem, sondern der verletzte Zeh ist es. Nicht de Essstörung, der scheinbar unperfekte Körper und ein Mangel an Disziplin sind das eigentliche Problem, sondern das, was HINTER der Essstörung steht. Solange wir versuchen, das Symptom Essstörung zu bekämpfen, so lange werden wir wieder und wieder verlieren.

Wie es funktioniert?

Wir müssen stehen bleiben, inne halten, uns umdrehen und schauen, wo wir her kommen und warum wir geworden sind, wie wir sind.

Es gibt für alles Gründe und Ursachen.

Wenn wir sie herausgefunden haben, begreifen wir sie, verstehen uns. Dann können wir überprüfen, welche unserer Verhaltensweisen uns früher einmal geholfen haben, jetzt aber nicht mehr angemessen sind.

Um es mit dem Zeh zu sagen: Der Schongang hat mir kurzfristig geholfen, denn ich musste die Kinder ins Bett bringen etc. aber danach wäre Ausruhen angesagt gewesen.

Wir müssen lernen, der Essstörung zuzuhören.

WAS will sie Dir sagen? Welche Dinge in Deinem Leben laufen nicht so, wie Du es eigentlich möchtest? Wo verhältst Du Dich so, wie andere es von Dir erwarten, Du selbst aber gar nicht glücklich mit Deinem Verhalten bist? Wer ist der wichtigste Mensch in Deinem Leben?

Solange es nicht Du selbst bist, so lange „brauchst“ Du noch den Schongang Essstörung.

Lebenshungrige Grüße

Simone