Gute Vorsätze mit
schlechtem Nachgeschmack

Es ist ein sogenannter guter Vorsatz zu beschließen, dass ab morgen alles anders wird.

Viele Lebenshungrige – mein früheres Ich eingeschlossen – machen das immer wieder. Einer meiner Lieblingsvorsätze war:

Ab morgen esse ich diszipliniert!

Ob es funktioniert hat?

Meistens für ein paar Stunden, manchmal für einige Tage, doch dann…

Unrealistische Ziele mit falschen Erwartungen

Immer und immer wieder nahm ich mir genau diesen Vorsatz vor, schaffte es nicht, mich daran zu halten und bewegte mich dadurch in meinem Denken, Fühlen und Handeln in einer Abwärtsspirale nach unten.

Warum habe ich so etwas simples wie mein Essverhalten nicht im Griff?

fragte ich mich gebetsmühlenartig.

Alle anderen können das doch auch!

hielt ich mir stets vor. Und während ich nach Außen hin weiter funktionierte, verzweifelte ich innerlich.

Heute weiß ich, dass das so nicht funktionieren konnte.

Denn einerseits war mein Ziel unrealistisch und andererseits waren meine Erwartungen an dieses Ziel falsch.

Ich erwartete nämlich, dass mit diesem “perfekten Körper” auch noch das “perfekte Leben” gratis daher käme.

Realitäts-Check

Was ich lange Zeit ignorierte, war die Realität.

Denn an diesem Punkt meines Lebens war ich essgestört und nicht mal mehr ansatzweise in der Lage, mein Essverhalten zu kontrollieren. Abgesehen davon kommt mit dem “perfekten” Körper” eben nicht gratis das “perfekte Leben” daher.

Im Grunde fütterte mein sogenannter guter Vorsatz meinen guten alten Ur-Glaubenssatz:

Ich bin nicht gut (genug)!

Schließlich hatte ich keine Chance, diesen Vorsatz real werden zu lassen und so benutzte ich ihn unbewusst, um meine Negativität weiter zu nähren. Denn da ich es nicht schaffte, “bewies” ich mir ja immer wieder, dass ich nicht gut genug war!

Ein guter Vorgeschmack auf’s Neue Jahr

Heute baue ich mir in mein Leben immer wieder intensive Zeiten des Reflektieren ein. Das muss nicht unbedingt zwischen den Jahren sein, sondern ist jederzeit und immer wieder möglich und heilsam. Manchmal ist das ein Retreat (Rückzug, spirituelle Ruhepause), den jemand anderes veranstaltet und zu dem ich irgendwo hin fahre. So habe ich beispielsweise im Oktober vier Tage am Retreat “Jetzt oder Nie” mit Eckhart Tolle und Kim Eng in Linstow teilgenommen.

Meistens ist es aber ein Tag, den ich nur mit mir selbst verbringe, ein Ich-Retreat sozusagen. An diesen Tagen meditierte ich zwei bis drei Mal, rede wenig und lese und schreibe viel. Zwischendurch höre ich Musik, schaue einen inspirierenden Film, gehe spazieren, tanze, lege mich in die Badewanne,…

Ich mache konsequent die Dinge, die meine Seele nähren.

An diesem Tag lese ich meine Gedankensalate der vergangenen Wochen oder Monate. Denn aus dieser Art des verbalen Auskotzens erfahre ich auch heute noch eine Menge Wertvolles und Interessantes über mich selbst und meine (Gedanken)Muster. Danach beantworte ich schriftlich folgende drei Fragen und ich lade dich herzlich dazu ein, das auch mal zu tun. Es funktioniert auch, wenn du keine Gedankensalate geschrieben hast:

Was ist Positives passiert in den vergangenen Wochen/Monaten?

Auf Grund unserer negativen Programmierungen haben wir Lebenshungrigen immer wieder die Tendenz, eher auf das Negative zu schauen, bzw. dem Negativen zu viel Gewicht zu geben. Wir vergleichen beispielsweise den Stand unserer Genesung mit denjenigen, die weiter scheinen als wir selbst, sodass wir “schlechter” da stehen. Doch nicht der Stand deiner Genesung ist das Problem, sondern die Art des Vergleichens, bzw. das Vergleichen mit anderen generell.

Oder hast du beispielsweise nach einigen wirklich positiven Tagen einen Rückfall, dann wiegt der Rückfall für dich sofort viel schwerer als die guten Tage davor. Und genau durch diese Bewertung fütterst du quasi den nächsten Rückfall an. Denn durch die Art der Bewertung und den eventuell folgenden weiteren Rückfällen glaubst du dann, auf der Stelle zu treten und nicht weiter zu kommen. Deshalb ist es entscheidend, immer wieder ganz bewusst auf das Positive zu schauen um unsere innere Waage mehr und mehr in Balance zu bringen.

Was habe ich aus den Herausforderungen gelernt, was kann ich daraus lernen?

Anstatt uns für schwierige Erfahrungen, wie beispielsweise Rückfälle in essgestörtes Verhalten, die innere Bratpfanne über zu ziehen, können wir uns genau so gut fragen, was wir aus dieser Situation lernen können oder konnten. Denn wenn du beispielsweise deine Rückfälle immer wieder analysierst, verstehst du sie – und damit dich selbst – irgendwann und dadurch beginnst du, dem (Ess)Problem die Nahrung zu entziehen!

Denn es geht nicht darum, irgendwann stärker als der Druck des Rückfalls zu werden. Es geht darum, durch anderes Denken, Fühlen und Handeln Schritt für Schritt solche Erlebnisse zu erzeugen, die keinen Druck mehr aufbauen.

Wie kann ich realistische Wünsche/Ziele für die Zukunft formulieren?

Es ist richtig und wichtig, den Wunsch zu haben, gesund werden zu wollen!

Doch wir können nicht bestimmen, wann genau das passieren wird. Wenn du also auf die Liste deiner guten Vorsätze für’s Neue Jahr schreibst, dass du im Mai 2020 gesund sein willst, setzt du dich damit unter Druck. Und mit diesem Druck machst du dir deinen Genesungsweg schwerer und nicht leichter.

Spüre mal in deinen Körper hinein, wenn du deine Wünsche oder Vorsätze formulierst: Zieht sich in dir alles irgendwie zusammen und hältst du vielleicht sogar die Luft an, kannst du davon ausgehen, dass du es mit einem unrealistischen Ziel zu tun hast. Entsteht hingegen Weite in deinem Körper und du atmest auf, bist du auf dem besseren Weg. Deine Formulierung könnte dann beispielsweise so lauten:

Ich erlaube mir, meiner Genesung immer wieder oberste Priorität einräumen!

Denn das ist ein realistischer Wunsch, auf den du stets zurückkommen kannst und der kein Verfallsdatum hat. Und dann kannst du dich beispielsweise auf die Suche nach konkreter Unterstützung zur Umsetzung dieses Wunsches machen. Beispielsweise habe ich letztes Jahr im Dezember von dem Retreat mit Eckhart Tolle erfahren und sofort gebucht. Und das war gut so, denn bereits einige Wochen später war die Veranstaltung ausgebucht. Und ich konnte von Dezember bis Oktober die Vorfreude und dann den Retreat selbst genießen.

Sich selbst bewusst etwas so Wertvolles wie Zeit zu gönnen – ohne dafür ein direktes, konkretes Ergebnis zu erwarten  macht die Seele satt. Die Ergebnisse werden kommen, nur meist nicht so, wie und wann wir sie erwarten.

Du kannst den Raum dafür schaffen, in dem Genesung passieren kann:

Jetzt – und immer wieder!

lebenshungrige Grüße

Simone