Die dreizehnte Geschichte (d)einer Essstörung
Eine weitere mutige Frau, die ihre Geschichte offen mit uns teilt:
Ich bin nicht die typische Essgestörte, man sieht es mir nicht an.
Das heißt, wenn man genau hinsehen würde vielleicht doch, ich bin stark übergewichtig.
Aber das nimmt keiner so wirklich ernst. Ich bin die lustige Dicke, “ich ess halt gerne” und “es schmeckt mir immer so gut” und “ich bin nicht der Mensch der sagt, ich weiss gar nicht, warum ich so dick bin” sind meine Slogans. Die Wahrheit ist … ich bin eine emotionale Esserin und komme einfach nicht gegen mich an. Ein kleiner Schwank aus meinem Leben: wenn ich von der Arbeit komme inhaliere ich erstmal eine Tafel Schokolade zur Belohnung den Tag überstanden zu haben.
Ich inhaliere zum Trost, wenn ich traurig bin und zum Entladen wenn ich mich geärgert habe. Danach inhaliere ich das Mittagessen obwohl ich mir vorgenommen habe, es dieses mal zu genießen. Und es ärgert mich dann, dass ich mir die ganze Arbeit gemacht habe für nichts …. Aber ich brauchen diese Esspause bevor der Haushalt für mich los geht und eigentlich würde ich mich jetzt gerne hinlegen und eine richtige Pause machen. Aber ich kann das nicht, wenn nicht alles erledigt ist. Und mit jedem Teller Essen schiebe ich es vor mich her anzufangen. Als wenn mich das retten würde. Denn ich mache den Haushalt ja doch, ob ich jetzt einen oder fünf Teller brauche zur Motivation oder Zeitverzögerung, wie immer man das sehen möchte…
Danach kommen dann irgendwann die Vorwürfe, dass ich es wieder mal nicht geschafft habe. In “innerlichen Beschimpfungen” habe ich den “schwarzen Gürtel”. Ich habe mal wieder versagt, in welchem System auch immer… Ich habe schon so viele Diäten und Abnehm-Systeme ausprobiert!
Mein täglicher innerer Check-Up zeigt: ja, ich habe wieder versagt, auf allen Ebenen… Damit ist der Tag dann gelaufen. Hinzu kommt die Unzufriedenheit. Denn der Genuss war ja auch nicht da. Entweder grase ich dann den restlichen Tag durch die Küche denn” es ist ja jetzt eh alles egal” oder ich ich essen nichts mehr zur Strafe. Bis ich dann doch irgendwann aufgebe und – man ahnt es -mich wieder mit Essen tröste.
Und Morgen ist ein neuer Tag und Morgen werde ich gut sein …..ja !
Und am nächsten Morgen – täglich grüßt das Murmeltier – beginnt dieser Tag wieder von vorne, mit Hoffnung, Erwartungen und mit dem Motivationsspruch “dieses mal schaffe ich es” . Manchmal is das auch so. Manchmal schaff ich das auch zwei Tage voller Stolz. Und dann werde ich von irgendeiner Emotion überrollt und entäusche mich auf’s Neue, sabotiere mich, beschimpfe mich.
Dabei muss ich wirklich abnehmen. Mein Körper ächzt und stöhnt unter meinem Gewicht. Vieles könnte um sovieles leichter sein wenn ich weniger wiegen würde. Aber vielleicht will ich das ja auch gar nicht? Manchmal wünsche ich mir, ich könnte mir den Finger in den Hals stecken und so alles los werden. Aber ich kann es nicht und so befinde ich mich – nach meiner Empfindung – in einer Grauzone. Ich habe keine Bulimie, ich bin nicht magersüchtig, Bingeater ja vielleicht schon eher, aber wenn ich Beschreibungen darüber lese, denke ich manchmal auch, nein das bin ich auch nicht.
Ich esse nicht stundenlang wahllos alles in mich rein, und auch nicht in Unmengen, was bin ich? In welche Schublade gehöre ich denn? Vielleicht ist aber alles auch ganz einfach, vielleicht bin ich doch nur eine Versagerin, die nur zu diziplinlos ist für eine Diät und die nach einer Ausrede sucht, warum sie es einfach nicht schafft abzunehmen. Und das nach ca. 35 Jahren Diät -Achterbahn?
Ich sehe mein Dicksein als Symptom dessen Ursache tief verborgen liegen. Aber eigentlich kenn ich sie und ich lege immer weitere Schichten von Fett drüber, weil die Wahrheit zu weh tut oder ich die Geister, die ich dann rufen würde, nicht ertragen könnte. Nicht, dass ich es nicht schon versucht hätte mit therapeutischer Hilfe, aber irgendwie hat mir das auch nicht geholfen.
Vielleicht bin ich einfach nur ein hoffnungsloser Fall…
Wo findest du dich in dieser Geschichte wieder und was nimmst du daraus mit?
Das Aufschreiben und Veröffentlichen deiner eigenen Geschichte hilft dir und anderen!
Schicke mir die Geschichte deiner Essstörung an info@lebenshungrig.de und ich veröffentliche sie hier anonym.
lebenshungrige Grüße
Simone