Warum nicht mal von Wörtern mit negativen Auswirkungen fasten?

Es ist Fasten-Zeit und ich kenne einige Menschen, die momentan auf Süßigkeiten und/oder Alkohol verzichten.

Als ich noch essgestört war, habe ich mich auch mal im Fasten versucht und beschlossen, während der Fasten-Zeit keine Schokolade zu essen. Natürlich hat es nicht funktioniert. Warum? Weil ich mir selbst gegenüber nicht ehrlich war. Denn mir ging es nicht um den bewussten Verzicht, sondern ich hielt das Fasten für eine elegante Lösung, mit einer nach Außen vertretbaren Erklärung, auf die „schuldige“ Schokolade zu verzichten. Mir ging es darum, dünner zu werden. Und dazu war mir jedes Mittel recht. Der Sinn der Fasten-Zeit war mir ziemlich egal.

Und es gab einen weiteren Grund, warum mein Schokoladen-Fasten zum scheitern verurteilt war: Ich sah das Problem in der Schokolade. Das tatsächliche Problem war aber dass, was ich über die Schokolade dachte. In meinen Augen war sie „böse“ und „schlecht“ und doch war sie so lecker… Ich gab dieser harmlosen Süßigkeit dadurch ungeheure Macht. Sie war meine ganz persönliche Schlange, die mich wieder und wieder aus dem Paradies vertrieb. Ich hielt mich für willensschwach, aber ich war essgestört.

Fasten? Verzichte auf das Wort „muss“!

Das Wort „Fasten“ kommt aus dem Mittelhochdeutschen „vaste“ und das stand für „fest“ beziehungsweise „befestigen“. Das Fasten soll festigen und zur Stabilität eines Menschen beitragen. Essgestörte Frauen sind – wie ich – entweder erst gar nicht in der Lage länger zu fasten, oder sie schaffen es nur mit allergrößter Willenskraft. Dieser Kampf ist dann allerdings sehr ermüdend und frustrierend und führt sicherlich nicht zu mehr Stabilität.

Warum nicht mal den Geist und die Seele entgiften, in dem wir auf bestimmte Wörter verzichten?

Das Wort „muss“ bietet sich zum Fasten an.

Überlege doch mal, wie oft du es benutzt:

Ich muss jetzt aufstehen.
Ich muss heute zur Uni.
Ich muss noch zum Sport.
Ich muss meine Mutter anrufen.

Dieses “muss” heißt konkret, dass du absolut keine andere Wahl hast und es trägt dazu bei, in einer „passiven Opferhaltung“ zu bleiben. “Ich Arme, ich muss… und ich kann es nicht ändern…”

Musst du wirklich zur Uni? Nein!

Kann es Konsequenzen haben, wenn du heute nicht hingehst? Ja!

Aber welche Aussage ist ehrlicher?

Ich muss heute zur Uni.

oder

Ich gehe heute zur Uni weil…

… ich sonst ein schlechtes Gewissen habe.

…. ich sonst nicht zur Prüfung zugelassen werde.

… meine Eltern sonst enttäuscht sind.

… ???

Wir müssen gar nichts. Wir tun viele Dinge, weil uns die Konsequenzen des Nicht-tuns noch unangenehmer erscheinen. Ob sie es tatsächlich sind, ist eine andere Sache…

Wie funktioniert Wort-Fasten?

Das Wort “muss” kommt so oft in unseren Gedanken und Gesprächen vor, dass wir wahrscheinlich nicht komplett darauf verzichten können. Häufig fällt uns unser “muss” auch gar nicht auf. Aber jedes Mal, wenn du während deiner “Wort-Fastenzeit” bemerkst, dass du “muss” verwendet hast, überlege, wie du deinen Satz bzw. Gedanken ehrlicher formulieren kannst.

Wie stehst du zum Fasten und gibt es ein anderes Wort, von dem du fasten willst?