Zwischen einsam sein und alleine sein liegen Gefühlswelten

Mein Weg raus aus der Essstörung und rein ins Leben war kein leichter Spaziergang. Aber auf Grund dieser Erfahrung habe ich definitiv mehr über mich gelernt, als ich es ohne Essstörung getan hätte.

Eine wichtige Erkenntnis ist zum Beispiel, dass ich sehr gerne mit mir alleine bin. Ich bin mir selbst eine gute Gesellschaft und finde immer etwas, was ich machen kann. Das Gefühl von Langeweile gepaart mit einer gewissen Sinnlosigkeit und einer rastlosen Unruhe ist mir irgendwann auf diesem Weg verloren gegangen.

Als ich noch essgestört war, war ich – bedingt durch das Alleinwohnen in meiner Studentenbude – sehr viel alleine. Aber ich war nicht nur häufig alleine, weil ich mich bewusst zurückgezogen, ja regelrecht isoliert habe, ich war auch meist sehr einsam. Ich fühlte mich so anders. Ich hielt mich für die Einzige, die so ein dunkles und schmutziges Geheimnis mit sich herumtrug.

Ich war innerlich rastlos und gefangen in meiner Gedanken-Hamsterrad-Zelle. Ich konnte mich selbst kaum aushalten und die Bulimie war der einzige Überlebensmechanismus, den ich kannte.

Fressen ist Gefühlsbetäubung und Kotzen ist Druckabbau. So “einfach” ist dieser Prozess.

Das Unerträgliche – und zugleich Lebensrettende – an dieser Situation war, dass ich nicht vor mir selbst weglaufen konnte. Irgendwann verstand ich, dass stehen bleiben und hinschauen die Lösung ist. Und ich verstand, dass ich unter hunderten von Menschen einsam sein konnte, weil ich mir selbst keine gute Gesellschaft war.

Ich begriff, dass es nie um die anderen geht, sondern immer nur um mich. Ich habe gelernt, mir selbst zu geben, was ich von anderen haben wollte. Ich habe gelernt zu fragen und sowohl ja als auch nein als Antwort zu akzeptieren, ohne diese Antworten persönlich zu nehmen. Ich habe gelernt, dass ich gewisse Grundbedürfnisse habe und dass es meine Pflicht ist, für deren Befriedigung zu sorgen.  Und ich habe gelernt, dass ich nur geben kann, wenn ich auch habe.

Ich lerne immer noch.

Aber eins weiß ich: Zwischen einsam sein und alleine sein liegen Gefühlswelten…

Wie definierst du den Unterschied zwischen einsam sein und alleine sein?