Diät als Einstiegsdroge in die Essstörung
„Diät halten“ ist normal in unserer Gesellschaft. Denn Dünnsein ist zu einem unserer wichtigsten Lebensziele geworden und wird von uns mit glücklich sein und Erfolg haben gleichgesetzt. Anstatt die Art und Menge unserer Nahrungsaufnahme unserem Körper zu überlassen und darauf zu vertrauen, dass er uns „sagt“ was er braucht, bestimmen wir das lieber mit unserem sogenannten Verstand. Anstatt dankbar zu sein, dass wir in einer Wohlstandgesellschaft leben, in der wir unseren Körper gesund und ausreichend ernähren können, machen wir ihn zu unserem Feind. Unterstützt werden wir dabei von den zahlreichen sogenannten Frauenzeitschriften, die uns wöchentlich mit der aktuellsten Diät beglücken. Und dann gibt es da noch diese Castigshows, wie z. B. GNTM, in denen die „Disziplinlosen“ vom deutschen Exportschlager Heidi Klum öffentlich an den TV-Pranger gestellt werden, weil sie 238,96 g (oder so…) zugenommen haben.
Ja, Diät halten ist „normal“ in unserer Überflussgesellschaft, aber gesund ist es deshalb noch lange nicht. Denn Diäten funktionieren zum einen nicht und zum anderen können sie gefährliche Folgen haben. Denn jede Frau die eine Essstörung hat, begann mit einer – ach so normalen – Diät.
Warum Diäten nicht funktionieren
Habt ihr euch schon mal die Frage gestellt, warum es immer wieder eine neue Diät gibt? Scheinbar funktionieren die vorhandene Diäten doch nicht, oder? Aber liegt das an dem Diät-Plan? Oder liegt es daran, dass wir alle zu den Klumschen Disziplinlosen gehören? Warum können wir uns nicht einfach an den Diät-Plan halten, abnehmen, und bis an unser Lebensende dünn, glücklich und erfolgreich bleiben?
Ich verrate es euch: Weil weder die Diät das Problem ist, noch unser Körper. Das Problem liegt darin, dass wir uns fast ausschließlich durch unser Aussehen und unsere Leistung definieren. Sobald wir mit einer Diät beginnen, fokussieren wir uns noch stärker auf unser Gewicht und unseren Körper. Wir „sind“ nur noch unser Körper. Und genau dieser „Verräter“ funkt uns irgendwann dazwischen. Und dass nennt man dann die gefürchteten Heißhungerattacken. Schon halten wir uns für disziplinlos und schämen uns. Um uns selbst zu beweisen, dass wir „gut“ sind, beginnen wir die nächste Diät. Wir haben gar kein Problem mit unserem Körper, sondern mit unserem Selbstbewusstsein. Wir müssen nicht dünner, sondern bewusster werden.
Von der Diät in die Essstörung
Die Grenze zwischen Diät halten und eine Essstörung haben ist fliesend und wird von uns meist erst dann wahrgenommen, wenn es schon zu spät ist. Eine britische Studie zeigt, wie Diät halten krank machen kann. In der Studie heißt es, dass übertriebenes Diät halten ein frühes Warnzeichen für psychische Erkrankungen sein kann: „Wenn jemand ständig Diät hält um besser auszusehen und ein vermeintlich „sozial akzeptierbares“ niedriges Gewicht zu erreichen, kann das zu einem Schlankheitswahn und erhöhtem Risiko für die Entwicklung einer Essstörung wie Magersucht oder Bulimie führen.“ Die Studie zeigt einen deutlichen Zusammenhang zwischen regelmäßigen Diäten und der Entwicklung von Essstörungen. Die Ergebnisse zeigen weiter, dass viele Frauen, die schließlich auf Grund ihrer Essstörung eine Beratungsstelle aufsuchten unter einem niedrigen Selbstwertgefühl leiden. „Durch die Diät verlagerte sich der Schwerpunkt immer mehr auf das Abnehmen und weg von dem dahinter liegenden Problem des mangelnden Selbstwertgefühls, so dass bei ihnen ein Zusammenhang zwischen niedrigem Selbstwertgefühl und Körperbild entsteht, der immer stärker wird. In erster Linie scheinen Diäten für diese Frauen ein Versuch zu sein, ihr Leben zu kontrollieren und zu verbessern.“ Die Studie zeigt auch, dass die Frauen, falls sie ihr Idealgewicht erreichen, meist schnell wieder zunehmen und häufig noch mehr wiegen als zuvor.
„Realistisch gesehen kann man aus unserer Untersuchung schließen, dass Menschen, die ständig Diäten machen, viele der Verhaltensmerkmale zeigen, die auch für Patienten mit Essstörungen charakteristisch sind. Außerdem zeigt die Untersuchung, dass ständige Schlankheitskuren eine sozial akzeptierte Norm sind und man wegen dieser Akzeptanz leicht übersehen kann, wenn solche Menschen Essstörungen haben.“ sagt Kamilah Tomlinson.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass laut Google monatlich 22.200 mal das Wort “Diät” eingegeben wird. Genau so häufig wird allerdings auch “Bulimie” gesucht. “Magersucht” wird sogar 33.100 mal pro Monat als Suchbegriff eingegeben…
Seelen-Diät
Egal, ob eine Frau nun ständig Diät hält, oder „schon“ eine Essstörung hat: Sie hat definitiv ein Problem mit sich selbst. Und sie wird so lange nicht aus diesem Teufelskreis aussteigen können, so lange sie nicht anfängt, ihr Denken, Fühlen und Handeln zu hinterfragen.
Wir müssen uns der Tatsache bewusst werden, dass wir DENKEN, dass die perfekte Figur uns gleichzeitig das perfekte Leben bringt. Und das wir den Fokus ganz stark auf unseren Körper lenken, weil wir GLAUBEN, dadurch mehr Kontrolle über unser Leben zu haben. Aber wir sind so viel mehr als unser Körper. Und unser Körper ist nicht unser Problem, sondern er ist das Schlachtfeld, auf dem wir unsere inneren Kämpfe austragen.
Unser Körper weiß sehr gut, welche Nahrung und wie viel davon er braucht. Wir müssen wieder lernen, ihm zu vertrauen. Wir müssen unsere einzigartige Persönlichkeit unter unserem Ego-Denken und -Glauben hervorbringen. Wir müssen weniger im Kreis denken und mehr in uns hinein fühlen und uns unseres individuellen Selbst bewusst werden. Oder anders ausgedrückt: Wer wirklich ein gesundes Gewicht haben und glücklich sein will, muss den Fokus weg vom Körper und hin zu seinen inneren Wünschen, Talenten und Bedürfnissen wenden. Wir brauchen eine Frauen-Zeitschriften-Diät, eine Castigshow-Diät, eine Haben-Müssen-Diät, eine Destruktive-Gedanken-Diät…
Erst wenn wir unsere Seele satt machen können, wird der unstillbare Hunger verschwinden. Und um unsere Seele zu füttern, brauchen wir keinen Diät-Plan, sondern Bewusstsein.
Was kannst du heute tun, um deine Seele satt zu machen?
lebenshungrige Grüße
Simone