genug gegeben – genug versucht
Liebe MindMate, heute Morgen habe ich das Bedürfnis gespürt, euch zu schreiben, dir zu schreiben. Und nach dem Aufstehen habe ich 30 Minuten meditiert, mir mein Frühstück gemacht und jetzt sitze ich an einem Samstagmorgen in meinem MagicRoom.
In den letzten Tagen und Wochen erlebe ich, dass der Schritt von lebenshungrig zu MindMeals ein wichtiger Schritt auf meinem Genesungsweg ist. Und ich versuche heute mal, das in Worte zu fassen.
Während der komplette Zeit von lebenshungrig hatte ich meistens noch einen alten, antreibenden Teil in mir. Diese Stimme die sagte: “Du musst machen, machen, du musst noch irgendwo hin, etwas fehlt noch.” Und aktuell ist es so, dass diese Stimme ruhig ist. Ich bin angekommen, muss nichts mehr machen, muss nirgendwo mehr hin.
Doch das wirklich Faszinierende daran ist, dass ich aus diesem Zustand heraus viel leichter mache. Je ruhiger und gelassener ich bin, desto klarer kann ich meine gesunde Stimme aus mir heraus hören.
Diese Stimme treibt mich nicht an, sie inspiriert und motiviert mich auf eine liebe- und humorvolle Art. Das Ergebnis ist, dass ich schon sehr lange nicht mehr so viel und so kontinuierlich erschaffen habe, wie in den letzten Wochen.
Zieht es dich an oder musst du dich anschieben?
Als Vergleich fällt mir hier die Push- bzw. Pull-Marketingstrategie ein. Beim Push-Marketing wird der potentielle Kunde aktiv zum Produkt “geschoben”. Beim Pull-Marketing wird das Produkt so anziehend gestaltet und präsentiert, dass die Kunden quasi von alleine kommen.
Wenn wir uns selbst aktiv zu etwas hinschieben, braucht das deutlich mehr Energie in Form von Willenskraft, als wenn wir dieses Etwas als anziehend empfinden.
Lange genug gegeben
Mir wird bewusst, dass ich unterschwellig meistens ein “kleines, schlechtes Gewissen” hatte, weil ich komplett gesund geworden bin. Im Selbsthilfeprogramm LEICHTER (aktuell nicht erhältlich) habe ich über den finalen Tag meiner Bulimie geschrieben. Es gab eine letzte, sehr unangenehme Erfahrung die dazu geführt hat, dass ich auf dem Boden neben der Toilette sitzend endlich die Entscheidung treffen konnte, die mich gerettet hat.
Doch um dorthin zu kommen brauchte es zehn essgestörte Jahre, von denen ich mich ungefähr acht intensiv mit mir und der Essstörung auseinander gesetzt habe. Es ist also nicht wirklich so, dass es nur dieses eine Erlebnis brauchte. Sondern es bedurfte all der Vorarbeit, damit ich während dieser Erfahrung anders denken, fühlen und endlich auch handeln konnte.
Und doch ist an diesem denkwürdigen Tag etwas in mir passiert, das ich nicht aktiv steuern konnte. Und das habe ich auch im Laufe der Jahre von lebenshungrig bei einigen Frauen mit denen ich zusammen gearbeitet habe, erleben können. Wir konnten Genesung erfahren, weil wir den Raum dafür geschaffen hatten.
Wann, wo und wie es passierte, lag nicht in unserer Hand.
Und aus dieser Erfahrung heraus nährte sich das “kleine, schlechte Gewissen” und trieb mich an. “Du musst dir dieses Geschenk nachträglich verdienen in dem du anderen Betroffenen ermöglichst, es auch zu erhalten.” forderte die antreibende Stimme leise, aber erbarmungslos.
Ich habe immer einen tiefen Sinn in meiner Arbeit gesehen und ich wollte wirklich helfen. Doch ich hatte oft auch das Gefühl, etwas zurück zahlen zu müssen.
Und das ist jetzt vorbei. Ich habe mehr als genug gegeben. Ehrlich gesagt hat mich Einiges zu viel gekostet. Und dazu bin ich nicht mehr bereit. Das was hier ein wenig dramatisch klingt, heißt letztlich:
Jetzt gebe ich, was ich geben will, weil ich geben will und nicht mehr, weil ich glaube, dass ich geben muss.
Das Ende von lebenshungrig ist ein klein wenig so, wie das Ende der Bulimie. Erneut ist etwas in mir passiert. Wieder war ich mir jahrelang der antreibenden Stimme des “kleinen, schlechten Gewissens” bewusst, ohne sie aktiv abstellen zu können.
Doch jetzt ist sie verstummt.
Lange genug versucht
Im letzten Jahr habe ich auch den Austausch mit zwei Personen beendet. Beide waren ebenfalls selbstständig und wir haben uns – teilweise jahrelang – über unsere Selbstständigkeit ausgetauscht um uns zu unterstützen.
Doch mir ist letztes Jahr bewusst geworden, dass wir uns oft mehr behindert als unterstützt haben. Kurz und gut: Es gab zu viel Austausch und zu wenig positive Konsequenzen. Häufig hat mich der Austausch daran gehindert mich zu fragen:
Warum kann ich gerade nicht umsetzten,
was ich glaube umsetzen zu wollen?
Ich habe eher zum Telefon gegriffen und lamentiert anstatt nach Innen zu schauen. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann sehr wichtig und hilfreich sein. Und da ich in meinem Umfeld beruflich ein Exot bin, war der Wunsch nach Gesprächen mit Gleichgesinnten auch nachvollziehbar.
Doch im letzten Jahr habe ich erkannt, dass es einfach nicht (mehr) funktioniert. Durch das Beenden dieses Austauschs ist Raum entstanden. Und auch dieser neu geschaffene Raum hat dazu beigetragen, dass geschehen konnte, was geschehen ist.
Zusammen in “gemütlichen Elend”?
Auch hier sehe ich Parallelen zu Selbsthilfegruppen bzw. dem Austausch mit anderen Betroffenen. Es ist sehr wichtig zu lernen, sich “verbal auszukotzen”, über die Dinge zu reden, die bisher unaussprechbar schienen. Doch es ist genau so entscheidend, sich die Art des Austauschs immer mal wieder ehrlich anzuschauen und sich zu fragen:
Ist dieser Austausch ausgeglichen?
Oder nutze ich diesen Austausch zu häufig um mir “zu beweisen”, dass die anderen es besser können als ich?
Oder bin ich immer nur diejenige, die andere inspiriert und motiviert?
Bringen mich die Gespräche tatsächlich weiter?
Oder sitze ich noch immer im “gemütlichen Elend”, nur eben nicht mehr alleine?
Letztlich ist es genau so wie mit der Therapie: Es kann uns nur helfen, wenn wir (immer mal wieder) ehrlich hin schauen um zu sehen, ob es für uns (noch) funktioniert.
Mein Weg ist (nicht) dein Weg
Meine Zeit mit lebenshungrig war eine sehr schöne, erfahrungsreiche und wichtige Zeit. Und es war eine viel leichtere Zeit als die Zeit der Essstörung. Doch wie ich schon mehrmals geschrieben habe:
Die Selbstständigkeit ist die Königsklasse der Selbsterfahrung.
Und die entscheidende, wiederentdeckte Erfahrung der letzten Monate war, dass ich zuerst bereit sein muss, Altes aufzugeben. Das kann durchaus beängstigend sein. Ich habe mir einen etablierten Namen und die Einkünfte eines erprobten Selbsthilfeprogramms sowie den Austausch mit langjährigen Weggefährten genommen. Und ich wusste nicht, durch was es wie ersetzt werden kann.
Ehrlich gesagt, weiß ich das teilweise noch immer nicht. Doch ganz tief in mir drin sagt die beruhigende Stimme, dass es sich zeigen wird. Und so gehe ich einfach weiter. Schritt für Schritt und schaue, was mir auf diesem Weg begegnet.
Denn es ist nicht so, dass ich keine Ideen hätte. Ganz im Gegenteil. Meine Herausforderung liegt aktuell darin, aus all den unzähligen Ideen die herauszufiltern, die ich umsetzen will. Und ehrlich gesagt finde ich es auch aufregend, unbekannte Wege zu gehen. Ich gehe drei Schritte nach vorne und einen zurück, manchmal auch vier…
Doch das ist okay und gehört dazu.
Denn für diesen Weg gibt es keinen vorgefertigten Wegweiser. Niemand ist diesen Weg bisher gegangen. Ich bin die erste, denn es ist mein Weg. Und nur ich kann ihn gehen. Genau das werde ich tun. Ich gehe ihn noch leichter, als ich ihn bisher gegangen bin. Denn ich habe weiteren Ballast abgeworfen.
Und ich werde ihn weiterhin in der Hoffnung mit dir teilen, dass er dich dazu inspiriert und motiviert, deinen Weg zu gehen.
Und falls du gerade das Gefühl hast auf der Stelle zu treten oder im Kreis zu laufen, I feel you, I really do!!!
Doch vielleicht geht es auch für dich (mal wieder) darum, deine Richtung zu überprüfen, dir deine Wegbegleiter anzuschauen und zu erkennen, welchen überflüssigen Ballast du noch mit dir rumträgst.
Der Genesungsweg ist kein gerader Weg. Und wir kommen immer mal wieder an der selben Stelle vorbei. Aber eine Ebene höher…
Gibt dir Zeit und schenke dir Ruhe, um deine gesunde, innere Stimme hören zu können.
Das ist das, was du regelmäßig tun kannst, damit es in dir passieren kann.
If you want to heal, feel – and MIND your mental MEALS :)
Simone